Rechtswissenschaftliche Stellungnahme zu einem Parteiverbotsverfahren gegen die Alternative für Deutschland
I. Aufgabe und Verantwortung der Antragsberechtigten im Parteiverbotsverfahren
Seit ihrer Gründung steht die Alternative für Deutschland (AfD) im Fokus öffentlicher und rechtlicher Diskussionen. Die jüngste Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen, die dem Bundesamt für Verfassungsschutz erlaubt, die AfD und ihre Jugendorganisation Junge Alternative (JA) als rechtsextremen Verdachtsfall zu beobachten und die Öffentlichkeit darüber zu informieren, hat die mediale Aufmerksamkeit weiter verstärkt. Angesichts der bestehenden rechtsextremen Gesinnung und verfassungsfeindlicher Äußerungen innerhalb der Partei wird diese Frage dringlicher.
Bei der Konzeption des Grundgesetzes entschied sich der verfassungsgebende Gesetzgeber dazu, Schutzinstrumente gegen Angriffe von innen und von außen vorzusehen. Das Konzept der „wehrhaften Demokratie“ ist Reaktion auf die Erfahrungen aus der Weimarer Republik und den nationalsozialistischen Staatsterror. Es war die bewusste Entscheidung der Mütter und Väter des Grundgesetzes, eine wertegebundene Demokratie zu etablieren, die es ihren Feinden verwehrt, unter Berufung auf verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheiten die Verfassungsordnung oder den Bestand des Staates zu gefährden, zu beeinträchtigen oder zu zerstören. Das Parteiverbot ist ein institutioneller Ausdruck der streitbaren Demokratie. Dem Bundesverfassungsgericht zufolge ist Art. 21 Abs. 2 GG „Ausdruck des bewussten verfassungspolitischen Willens zur Lösung eines Grenzproblems der freiheitlich demokratischen Staatsordnung“ (BVerfGE 5, 85 [139] [KPD-Verbot, 1956]). Verfassungsfeindliche Parteien stellen eine Gefahr für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat dar, sodass ihr Verbot, unter Beachtung der für einen Rechtsstaat erforderlichen verfassungsrechtlichen Garantien gegen Missbrauch, möglich ist und unter Umständen sogar geboten sein kann.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) dient in diesem Zusammenhang als administrative Vorhut für die Selbstschutzmechanismen des Grundgesetzes. Die Einschätzungen des Bundesamtes besitzen im Rahmen eines Verbotsverfahrens keine unmittelbare rechtliche Bindung, sondern fungieren vielmehr als Indizien für das Vorliegen belastbarer Nachweise, die für ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht erforderlich sind. Mit der Einstufung der AfD als Verdachtsfall ist das Bundesamt seiner Aufgabe aus §§ 3, 4 BVerfSchG nachkommen, wonach Informationen über Bestrebungen, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet sind, zu sammeln und auszuwerten sind. Innerhalb dieses Prozesses hat die AfD drei der vier Stufen verfassungsfeindlicher Bestrebungen bereits erreicht:
- Nachdem sie allgemein beobachtet wurde (1.)
- galt sie als Prüffall (2.) und
- wurde anschließend gerichtsfest als Verdachtsfall (3.) eingestuft. Eine solche Einstufung ist nur möglich, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen vorliegen.
- Die letzte Stufe (4.), ihre Einstufung als verfassungsfeindliche Bestrebung, soll bevorstehen. Damit hätte sich aus Sicht des Bundesamtes der Verdacht so weit verfestigt, dass keine Zweifel mehr am Vorliegen der verfassungsfeindlichen Bestrebung bestehen.
Das Bundesamt sammelt damit das für die Einschätzung des Gefährdungspotentials einer politischen Partei und das erforderlichenfalls im Rahmen eines Parteiverbotsverfahrens notwendige Material und stellt es den drei allein antragsberechtigten Organen (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung) zur Verfügung (§ 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BVerSchG). Seine Kompetenz endet dort, es liegt dann an den Antragsberechtigten, ihrer verfassungsrechtlichen Rolle im Mechanismus der Wehrhaftigkeit des Grundgesetzes gegen Verfassungsfeinde angemessen nachzukommen.
Im Falle einer verfassungsfeindlichen Partei ist die freiheitlich-demokratische Grundordnung dazu angehalten, sich zur Wehr zu setzen.
Die AfD hat sich zunehmend radikalisiert. Während sie zunächst ihre Absichten noch hinter ambivalenter Rhetorik versteckte und damit die einfache Subsumtion ihrer Ziele und ihres Verhaltens unter den Verbotstatbestand zu verhindern suchte, offenbaren die sich in letzter Zeit häufenden zahlreichen öffentlichen Einlassungen, vor allem aber ihr konkretes Verhalten über die letzten Jahre ihre wahren verfassungsfeindlichen Absichten. Daher ist schon ohne die zu erwartende Materialsammlung des Bundesamtes für Verfassungsschutz bereits gegenwärtig eine belastbare Einschätzung der Erfolgsaussichten eines Parteiverbotsverfahrens möglich: Die AfD ist danach nachgerade der prototypische Fall einer Partei, durch die die spezifischen Mechanismen der grundgesetzlichen wehrhaften Demokratie aktiviert werden sollen.
Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung insoweit die Verantwortung übertragen, die Wehrhaftigkeit des Grundgesetzes ernst zu nehmen und damit ein Parteiverbot anzustrengen, sofern dies geboten erscheint. Es obliegt den Antragsberechtigten, sich dieses grundgesetzlich übertragenen Auftrags zu jeder Zeit bewusst zu sein; gerade weil die Verfassung sich entschieden hat und damit zugleich gebietet, gegen ihre Feinde robust vorzugehen, ist zumindest verfassungsrechtspolitisch (und jenseits verwaltungsrechtlicher Kategorien wie „Ermessen“ oder „Beurteilungsspielraum“) die Anstrengung eines Parteiverbotsverfahrens auch nicht ins Belieben der Antragsberechtigten gestellt, sondern politische Aufgabe und Verantwortung.
II. Verfassungsrechtlicher Rahmen
Das Grundgesetz sieht in Art. 21 Abs. 2 GG vor, dass Parteien, „die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen“, durch das Bundesverfassungsgericht (Art. 21 Abs. 4 GG) verboten werden können.
1. Bewertungsmaßstab
Als Bewertungsmaßstab für den Tatbestand des Art. 21 Abs. 2 GG werden die Ziele der Partei und das Verhalten ihrer Anhängerinnen und Anhänger herangezogen.
Ziele „sind der Inbegriff dessen, was eine Partei politisch anstrebt“. Als Erkenntnisquelle ist auf sämtliche Erzeugnisse zurückzugreifen, die der Partei zugeordnet werden können: ihr Programm, Schulungs- und Propagandamaterial, parteiamtliche Erklärungen, Reden von Funktionären, eigens herausgegebene oder beeinflusste Presseerzeugnisse sowie Ausführungen parteinaher Autorinnen und Autoren, die über die ideologische Ausrichtung der Partei berichten. Die Ermittlung der politischen Ziele muss sich dabei nicht auf offizielle Aussagen beschränken, sondern die „wirklichen“ Absichten offenlegen. Dazu fordert das BVerfG, die wahren Absichten der Partei festzustellen.
Aufgrund der besonderen Bedeutung, die Parteien für eine demokratische Ordnung auch nach der Konzeption des Grundgesetzes zukommt, muss das Gericht eine solche Verbotsentscheidung gem. § 15 Abs. 4 BVerfGG mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Senats treffen.
2. Verbotssubjekt
Subjekt eines Verbotsverfahrens nach Art. 21 Abs. 2 GG können nur politische Parteien sein. Das infrage stehende Verbotssubjekt stellt die (Gesamt-)Partei inklusive ihrer Sonderorganisationen dar. Die AfD erfüllt den verfassungsrechtlichen Parteibegriff und ist damit taugliches Verbotssubjekt.
Vor dem Hintergrund der zu verzeichnenden radikaleren Außenwahrnehmung einzelner Landesverbände wäre (subsidiär) auch eine Beschränkung des Vorgehens auf bestimmte Untergruppierungen der Bundespartei in Erwägung zu ziehen. Die Landesverbände der AfD stellen ebenfalls Parteien im verfassungsrechtlichen Sinn dar. Gem. § 46 Abs. 2 BVerfGG kann sich die Feststellung der Verfassungswidrigkeit im Rahmen eines Verbotsverfahren gegen die Bundespartei auch auf einen rechtlich oder organisatorisch selbständigen Teil beschränken. Das Verbieten einzelner Landesverbände wäre insofern auch dann möglich, wenn sich der Verbotsantrag formal gegen die gesamte Bundespartei richtet.
3. Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung
Der materiell-rechtliche Kern des Parteiverbotsverfahrens liegt in der Beurteilung, ob die AfD darauf ausgeht, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen.
a) Schutzgut: Die freiheitliche demokratische Grundordnung
Das BVerfG (BVerfGE 144, 20 [205] [NPD-II-Verbotsverfahren, 2017]) führt den Begriff der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, der das Schutzgut des Parteiverbots bildet, auf drei zentrale Grundprinzipien zurück:
- die Menschenwürde,
- das Demokratieprinzip und
- zentrale Elemente des Rechtsstaatsprinzips (Rechtsbindung der öffentlichen Gewalt, unabhängige gerichtliche Kontrolle und staatliches Gewaltmonopol).
Die Menschenwürdegarantie bildet den obersten Wert des Grundgesetzes, die freiheitlich-demokratische Grundordnung gründet auf ihrem Gehalt. Umfasst ist insoweit „insbesondere die Wahrung personaler Individualität, Identität und Integrität sowie die elementare Rechtsgleichheit.“ Die Menschenwürde ist unabhängig von Merkmalen wie Herkunft, Lebensalter oder Geschlecht, sie knüpft allein an das Menschsein an – sie „(…) ist egalitär“.
b) Beseitigung oder Beeinträchtigung
Beeinträchtigen bedeutet, dass „eine Partei nach ihrem politischen Konzept mit hinreichender Intensität eine spürbare Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung betreibt“ (BVerfGE 144, 20 [213] [NPD-II-Verbotsverfahren, 2017]).
Die Tatbestandsalternative „Beseitigen“ stellt höhere Hürden auf als die der „Beeinträchtigung“. Zentral für die Beurteilung ist insoweit aber jeweils die Intensität der Schutzgutgefährdung; die Beseitigung stellt sich mithin gewissermaßen als die intensivste Form der Beeinträchtigung dar. Streitige Grenzfälle befinden sich daher unterhalb der Schwelle des Abschaffens, sodass der ersten Alternative des Beseitigens keine eigene Bedeutung zukommt.
4. Darauf-Ausgehen
Die Partei muss nach Art. 21 Abs. 2 GG „darauf ausgehen“ diese verfassungsfeindlichen Ziele zu erreichen und in diesem Zusammenhang nach der neueren Rechtsprechung des BVerfG die erforderliche „Potentialität“ aufweisen. Für die Annahme eines „Darauf-Ausgehens“ wird erstens „ein planvolles Handeln im Sinne qualifizierter Vorbereitung“ verlangt (BVerfGE 144, 20 [221] [NPD-II-Verbotsverfahren, 2017]), zweitens zumindest die Potentialität eines Erfolges. Planvolles Handeln liegt vor, wenn „kontinuierlich auf die Verwirklichung eines der freiheitlichen demokratischen Grundordnung widersprechende[n] politische[n] Konzept[s] hingearbeitet wird“ (BVerfGE 144, 20 [221] [NPD-II-Verbotsverfahren, 2017]). Eine qualifizierte Vorbereitung kann angenommen werden, wenn „ein zielorientierter Zusammenhang zwischen eigenen Handlungen und der Beseitigung oder Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ besteht. Das BVerfG stellt an dieses Merkmal keine allzu hohen Anforderungen und verlangt weder explizit gewaltvolles Vorgehen noch überhaupt die Verwendung illegaler Mittel: „Eine Partei kann auch dann verfassungswidrig sein, wenn sie ihre verfassungsfeindlichen Ziele ausschließlich mit legalen Mitteln und unter Ausschluss jeglicher Gewaltanwendung verfolgt“ (BVerfGE 144, 20 [222, Rn. 578] [NPD-II-Verbotsverfahren, 2017]).
Das dogmatisch im Begriff des „Darauf-Ausgehens“ verankerte Merkmal der Potentialität setzt nach der Rechtsprechung voraus, dass „konkrete Anhaltspunkte von Gewicht vorliegen, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass das […] Handeln einer Partei erfolgreich sein kann.“
Das Kriterium der Potentialität erzeugt ein strukturelles Dilemma: Je deutlicher die verfassungswidrige Entwicklung innerhalb einer Partei unumkehrbar scheint und je realistischer aufgrund breiten gesellschaftlichen Zuspruchs die Erfolgsaussichten für die Umsetzung der verfassungswidrigen Bestrebungen sind, desto schwächer vermag das Parteiverbot präventiv zu wirken; der richtige Zeitpunkt für ein wirksames Verbot ist schwer abzupassen. Um diese Ambivalenz zu entspannen, sind Potentialität und Eingriffsschwelle ins Verhältnis zu setzen, abzuwägen. Das bedeutet, dass sich mit zunehmender Potentialität (Gefahr) die Hürden für einen Eingriff (Finanzierungsausschluss, Verbot) reduzieren. Dieses Stufenverhältnis ist schon in Art. 21 Abs. 2 und 3 GG angelegt. Das Bundesverfassungsgericht hat die Potentialität wohl mit Blick auf Art. 11 EMRK in seine Argumentation integriert; auch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wird die Potentialität als Element der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt.
III. Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch die AfD
Zusammenfassend müsste der AfD anhand ihr zurechenbarer Äußerungen und des Verhaltens ihrer Anhängerinnen und Anhänger nachgewiesen werden können, dass sie mit ihrem politischen Konzept eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung in diesem Sinne darstellt.
1. Die Grenze zwischen konservativ-nationaler und völkisch-nationalistischer Politik
Terminologischer Bezugspunkt für diesen Nachweis ist also die in Art. 21 GG genannte „freiheitlich-demokratische Grundordnung“. Eine Partei, die darauf ausgerichtet ist, diese zu beeinträchtigen oder zu beseitigen, ist verfassungswidrig.
In den Artikeln 1 bis 19 enthält das Grundgesetz ein fundamentales Bekenntnis zu universell geltenden individuellen Rechten. Der Staat ist verpflichtet, die Gleichheit aller vor dem Gesetz zu garantieren, individuelle Freiheiten zu respektieren und für alle zu gewähren, was eine menschenwürdige Existenz erfordert. Der dadurch gesetzte Rahmen ist breit. Trotz seiner universell-individualistischen Orientierung schließt das Grundgesetz Differenzierungen nach Staatsangehörigkeit nicht kategorisch aus. Ebenso kann der Zugang zur Staatsangehörigkeit oder auch nur zum Aufenthalt in Deutschland beschränkt werden. All dies ist nicht nur möglich, sondern gängige Praxis. Auch restriktivere – „national-konservative“ – Positionen können unter dem Grundgesetz ohne Weiteres vertreten werden.
Aber es gibt Grenzen: Teils ergeben sich diese aus dem Bekenntnis zum inter- und supranationalen Recht. Ein Rechtsstaat kann auf dessen Veränderung hinwirken, im Extremfall auch seine Bindung daran lösen, aber er kann es nicht brechen. Dafür einzutreten, ist verfassungsfeindlich.
Vor allem aber setzt auch das Grundgesetz selbst Grenzen. Unterscheidungen, die an biologische Merkmale oder deren soziale Zuschreibung anknüpfen, sind ebenso unzulässig wie solche, die eine über-individuelle und mithin für die einzelne Person unveränderliche ethnische Klassifikation zum Ausgangspunkt nehmen. Positionen, wie sie insbesondere dem völkischen Nationalismus als Ausdruck der deutschen Romantisierung der Nation entsprechen und denen zufolge „das Volk“ oder „die Nation“ eine in diesem Sinne „tiefere“ kulturelle oder biologische Substanz haben, sind ebenfalls verfassungsfeindlich. Insbesondere wird, wo immer ein solch homogen-identitäres Volksverständnis zum Leitbild konkreter gesellschaftlicher Umgestaltung gemacht wird, die Grenze des Zulässigen überschritten.
2. Völkisch-nationalistische Ideologie der AfD
Wie die beigefügte Materialsammlung zeigt, offenbaren sowohl die Ziele als auch Äußerungen und Verhalten von Mitgliedern der AfD ihr völkisch-nationalistisches Programm. Ihr politisches Ziel ist die Bewahrung einer „kulturell homogenen deutschen Einheit“. Als Differenzierungsmerkmal knüpft die Partei an die „kulturelle Herkunft“ an, die sie als unveränderliches Wesensmerkmal und Teil der „deutschen Identität“ versteht (vgl. Materialsammlung, Abschnitt I, S. 14 ff.). Der in der AfD offen zutage tretende völkisch-ethnisch-kulturell geprägte Rassismus ist Ausdruck dieser ideologischen Grundhaltung der Partei (vgl. hierzu ausführlich: OVG Nordrhein-Westfalen Urteil v. 13.05.2024, Az. 5 A 1218/22 Rn. 213 ff., 221, 229; ausführlich und mit zahlreichen Beispielen auch die Vorinstanz: VG Köln Urteil v. 08.03.2022, Az. 13 K 326/21 Rn. 542 ff., 606 ff., 634; Laabs/Kraske, Angriff auf Deutschland, 2024, 1. Kapitel [S. 5, 7 ff., 9 et. passim]). Die Abwertung bestimmter Personengruppen hat ihren Ursprung (unter anderem) in der Überzeugung von der Überlegenheit des „deutschen Volkes“: Die „Vorstellung eines ursprünglichen und daher unbedingten Vorrangs eines Kollektivs“ (BVerfGE 144, 20 [207] [NPD-II-Verbotsverfahren, 2017]) stellt die Subjektqualität des Menschen infrage. Grundlage ihres politischen Selbstverständnisses ist eine identitäre Volks- bzw. Gesellschaftskonstruktion, zu Lasten individueller Menschenrechte. Ein solches Verständnis steht in klarem Widerspruch zur Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes, wonach alle Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Gattung Mensch gleich an Würde sind. Jegliche Differenzierung nach kulturellen Merkmalen oder eine rassistische Hierarchisierung, die über die Zugehörigkeit zur „deutschen Gesellschaft“ bzw. zum deutschen Volk entscheidet, verbietet sich.
3. Delegitimierung demokratischer Prozesse und Akteure
Ein wichtiger Teil der Strategie der AfD ist die – über eine legitime Staatskritik weit hinausgehende – (medienwirksame) Delegitimierung politischer Akteure sowie demokratischer Prozesse (ausführlich dazu: Laabs/Kraske, Angriff auf Deutschland, S. 110). Sie delegitimiert die Medien als „Lügenpresse“ („Pinocchio-Presse“) (vgl. Materialsammlung, Abschnitt IV, S. 27 ff.). Dadurch stärkt sie eigene, parteinahe Kanäle und Medien mit dem Ziel, die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass es eines gewaltsamen politischen Umbruchs bedarf (in diesem Bezug die Rolle der AfD im digitalen Raum und ihre Dominanz ausführlich analysierend: Laabs/Kraske, Angriff auf Deutschland, S. 73 ff.).
Im Grundsatzprogramm wird das Fundament für diese Strategie gelegt, indem politische Entscheidungsträger delegitimiert und als „[h]eimlicher Souverän (…) eine kleine, machtvolle politische Führungsgruppe innerhalb der Partei“ beschrieben werden, „(…) deren vordringliches Interesse ihrer Macht, ihrem Status und ihrem materiellen Wohlergehen gilt“.
Das Verhalten des Alterspräsidenten Jürgen Treutler im Rahmen der Landtagssitzung zur Konstituierung des Thüringer Landtages zeigt auf Landesebene, welche realpolitischen Folgen eine solche Haltung mit sich bringt. Treutler setzte sich in verfassungswidriger Weise über die Autonomie des Parlaments hinweg und überschritt die ihm zustehende protokollarische Funktion, um parteipolitische Interessen durchzusetzen und die selbst herbeigeführte „Dysfunktionalität“ des Parlamentarismus vorzuführen, mit dem Zweck, die demokratischen Institutionen zu delegitimieren.
Eine solche strategische Delegitimierung demokratischer Akteure und Prozesse gefährdet die Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen und damit eine zentrale Ausprägung des Schutzgehalts der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
4. Kommunikationsstrategie: „Plausible Deniability“
Dabei greift die AfD auf eine Strategie zurück, die kommunikationswissenschaftlich als „plausible Bestreitbarkeit“ (plausible deniablitiy) bezeichnet wird: Sie nutzt die Mehrdeutigkeit der Sprache zur Manipulation der Adressatinnen und Adressaten. Die Kommunikatoren richten ihre Äußerungen strategisch so aus, dass sie bestimmte Botschaften beinhalten. Es werden doppeldeutige Aussagen getroffen und die sprachlichen Interpretationsmöglichkeiten genutzt, um den Adressatinnen und Adressaten implizite Inhalte und Ziele zu vermitteln, die gleichzeitig anderen gegenüber (bisweilen mit gespielter Empörung) geleugnet und zurückgewiesen werden können.
Bei isolierter Betrachtung einzelner Aussagen erscheint dieser Ansatz gegenüber den Adressatinnen und Adressaten erfolgversprechend. Stellt man jedoch eine Vielzahl von Aussagen in einen Gesamtzusammenhang, setzt sich ihr ideologischer Kern wie ein Mosaik zusammen. Die Leugnung der relevanten ideologischen Überzeugungen entbehrt dann, in der Gesamtschau, der Plausibilität. Es handelt sich nicht mehr um Einzelfälle von Zweideutigkeit, sondern um strategisch gesetzte Zweideutigkeit, die sich zur verfassungsfeindlichen Eindeutigkeit verdichtet.
5. Zurechnung
Neben der inhaltlichen Bewertung der inneren Ausrichtung der AfD ist sicherzustellen, dass die Bewertungen auf Erkenntnisquellen basieren, die der (Bundes-)Partei zugeschrieben werden können. Beurteilungen aufgrund des Verhaltens dürfen dann vorgenommen werden, wenn sie den Anhängerinnen und Anhängern der Partei zurechenbar sind. Unter Anhängerinnen und Anhängern versteht das BVerfG „alle Personen, die sich für eine Partei einsetzen und sich zu ihr bekennen, auch wenn sie nicht Mitglied der Partei sind“ (BVerfGE 144, 20 [215] [NPD-II-Verbotsverfahren, 2017]). Die Zurechnung zur Partei ist bei leitenden Funktionären sowie der Parteiführung unproblematisch. Handelt es sich um einfache Parteimitglieder oder sonstige Anhängerinnen und Anhänger, muss ihr Handeln im politischen Kontext stehen und von der Partei zumindest geduldet werden.
Die Materialsammlung im Anhang zeigt eindrücklich, dass die völkisch-nationalistische Ideologie der AfD von der Breite der Partei getragen wird, auf Bundes- wie auf Landesebene. Der Bundesvorstand grenzt sich von dieser Ideologie und den Akteuren nicht ab. Die AfD duldet vielmehr verfassungsfeindliche Positionen in der Partei, lässt sie gewähren und macht sie sich so zu eigen. Das zeigt sich exemplarisch an der fehlenden Abgrenzung gegenüber Höcke.
6. Darauf-Ausgehen und Potentialität
Die AfD ist auf vielfältige Weise bestrebt, ihre verfassungswidrigen Bestrebungen konkret in die Tat umzusetzen. Dabei handelt sie im Rahmen ihrer Organisation planvoll und strategisch, und sie hat Verbindungen zu gewaltbereiten und gewalttätigen Gruppen. Dementsprechend kann das Tatbestandsmerkmal bejaht werden.
Angesichts des Merkmals der Potentialität kann auf die Erfolgsaussichten der Bundes- sowie Landespartei bei den anstehenden Wahlen verwiesen werden. Umfragen sehen die AfD auf Bundesebene bei ca. 20 %, womit sie nach der CDU/CSU die stärkste politische Kraft im Bundestag darstellen würde. Auf Landesebene wird der AfD teilweise ein noch größerer Erfolg prognostiziert, hier hat sie in einigen Fällen nachgerade den Status einer Volkspartei eingenommen. Es scheint daher nicht nur möglich, sondern sogar höchstwahrscheinlich, dass die AfD an politischem Einfluss gewinnt und sich befleißigen wird, ihre nationalistisch-völkische Grundhaltung politisch und mit den Mitteln (verfassungswidrigen) einfachen Rechts umzusetzen. Durch die Besetzung von Ämtern in Justiz und Verwaltung kann sie ihre verfassungswidrigen Bestrebungen besonders wirkungsvoll verfolgen und gefährdet insbesondere die vom Parteiverbot besonders geschützten Elemente des Rechtsstaatsprinzips. Das Erfordernis der Potentialität wird im Hinblick auf die AfD daher von keiner Seite ernsthaft bestritten.
IV. Rechtsfolgen
Die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 GG sind damit erfüllt, die rechtliche Beurteilung der Erfolgsaussichten eines Verbots fällt positiv aus. Demnach ist die AfD verfassungswidrig.
Als Folge eines Verbotsurteils würde die AfD den verfassungsrechtlichen Status als politische Partei verlieren. Gem. § 46 Abs. 3 S. 1 BVerfGG löst das Urteil des BVerfG die Partei auf, ihre rechtliche Existenz erlischt. Gemäß § 46 Abs. 3 S. 2 BVerfGG kann zudem das Vermögen eingezogen werden. Von dieser Befugnis macht das Gericht Gebrauch, wenn nennenswerte Vermögenswerte vorhanden sind. Im Falle der AfD ist somit mit einer Vermögenseinziehung zu rechnen. Das Verbot der Bildung von Ersatzorganisationen (§ 46 Abs. 3 S. 1 BVerfGG) sichert die faktische Wirksamkeit des Parteiverbots ab. Daneben stellen §§ 84, 85 StGB, die Weiterführung der Partei unter Strafe.
Für die Abgeordneten der AfD führte das Verbot grundsätzlich zu einem Mandatsverlust – auf europäischer, Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene (vgl. §§ 46, 47 BWahlG, §§ 22, 23 EuWG und die entsprechenden Regelungen auf Landes- bzw. kommunaler Ebene, zu den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit s. EGMR Sadak/Türkei v. 11.6.2022 – Nr. 25144/94 Rn. 37 ff., Arnd/Engels/von Oettingen in: Karpenstein/Mayer, EMRK, 3. Aufl. 2022, Art. 11, Rn. 48).
V. Rechtspolitische Rationalität des AfD-Parteiverbots
Das BVerfG machte mit dem Verbot der Nachfolgeorganisation der NSDAP, der Sozialistischen Reichspartei (SRP), erstmalig von seinem Entscheidungsmonopol nach Art. 21 Abs. 4 GG Gebrauch. Dabei formte es das mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verflochtene Verständnis der Menschenwürde. Es folgte das Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), welches die institutionelle Ausprägung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung näher entfaltete.
Dem jüngst beschlossenen Finanzierungsausschluss nach Art. 21 Abs. 3 GG der Partei „Die Heimat“ (zuvor Nationaldemokratische Partei Deutschlands, NPD) gingen zwei gescheiterte Verbotsverfahren voraus: Im ersten NPD-Verfahren stellte sich heraus, dass staatliche Informanten (sog. V-Leute) auf der Führungsebene der Partei tätig waren, was die Autonomie der Organisation, eine adäquate Beweiserhebung sowie die Fairness des Verfahrens infrage stelle. Es wurde daher eingestellt. Das zweite Verfahren scheiterte am – wohl der Rechtsprechung des EGMR entspringenden, rechtspolitisch schwierigen – Kriterium der „Potentialität“, wonach eine Partei nur dann verboten werden kann, wenn es im Rahmen des Möglichen liegt, dass sie ihre Ziele erreicht; das sah das Gericht bei der NPD nicht. Die Partei war damit zwar verfassungsfeindlich, wurde aber gleichwohl nicht verboten.
Das Bundesverfassungsgericht nutzte das zweite Verfahren jedoch zugleich, um eine substanzielle Fortschreibung seiner Parteiverbotsdogmatik vorzunehmen. Die sich anschließende gesetzgeberische Tätigkeit zum Finanzierungsausschluss nach Art. 21 Abs. 3 GG und das hierzu ergangene Urteil von Anfang 2024 sind damit vornehmlich als Reaktion auf die zuvor gescheiterten Verbotsverfahren zu lesen; nicht zuletzt hatte das Gericht selbst die Möglichkeit eines Finanzierungsausschlusses bei lediglich verfassungsfeindlichen Parteien in seinem zweiten Verbotsurteil angeführt. Der Umgang des höchsten Gerichts mit der Partei „Die Heimat“ fügt sich in die Dramaturgie der Geschehnisse ein.
Auch ohne die zu erwartende Materialsammlung des Verfassungsschutzes gibt es damit bereits aktuell zahlreiche öffentliche Nachweise, die in hinreichender Form belegen, dass die politische Agenda der AfD den Prinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zuwiderläuft. Dennoch begegnet ein AfD-Parteiverbotsverfahren in der politischen Debatte bisweilen noch Skepsis.
Dies lässt sich zum einen mit der Sorge erklären, die AfD könnte gestärkt werden, falls das Verfahren letztlich (aus welchen Gründen auch immer) scheitern sollte. Zum anderen wird vorgebracht, dass man schlecht eine Partei verbieten könne, der demoskopisch ein Potential von rund einem Fünftel der Wählerschaft zugetraut werde (auf Landesebene bisweilen sogar noch mehr): Zu leicht sei dies als Versuch der etablierten Parteien zu schmähen, eine unliebsame Konkurrentin im Wettbewerb auszuschalten; und die Gegenreaktion der sich selbst viktimisierenden Parteianhängerschaft sei zudem unberechenbar. Vielfach wird daher gefordert, die AfD nicht gänzlich zu verbieten, sondern „lediglich“ von der Finanzierung auszuschließen. Gegen ein Verbot wird zudem die Dauer des Verfahrens ins Feld geführt; eine kurzfristige Lösung vor den nächsten Landtags- und Bundestagswahlen biete das Verfahren nicht. Die rechtsextreme Einstellung der Wählerschaft bliebe bestehen: Das dahinterstehende Gedankengut ließe sich nicht einfach verbieten. Als schärfstes Schwert sei das Parteiverbot zwar zu prüfen, es sei jedoch zuvörderst die Pflicht der etablierten Parteien, die AfD politisch zu stellen.
Es ist zwar richtig, dass dem Verbot als ultima ratio stets die politische Bekämpfung vorausgehen muss. Allerdings ist das Parteiverbot seinem Charakter nach gleichwohl eine Präventivmaßnahme. Art. 21 Abs. 2 GG „zielt (…) darauf ab, nach der Maxime ‚Wehret den Anfängen‘ frühzeitig die Möglichkeit des Vorgehens gegen verfassungsfeindliche Parteien zu eröffnen“ (BVerfGE 144, 20 [224] [NPD-II-Verbotsverfahren, 2017]).
Der Ruf nach einem (bloßen) Finanzierungsausschluss unterstreicht die dargelegten Annahmen der Verfassungswidrigkeit der AfD. Denn der finanzielle Ausschluss nach Art. 21 Abs. 3 GG ist nur dann möglich, wenn die betroffene Partei die Tatbestandsvoraussetzungen grds. erfüllt, jedoch nicht über ausreichende Bedeutung verfügt. Gerade diese wird mit Blick auf die AfD jedoch einhellig bejaht. Wenn aber die neben den übrigen – für Finanzierungsausschluss und Parteiverbot identischen – Voraussetzungen die – nur für das Parteiverbot erforderliche – Potentialität tritt, dann ist die Partei verfassungswidrig; die Beschränkung auf den bloßen Finanzierungsausschluss scheidet dann aus. Das zeigt sich auch in der Regelung des BVerfGG (§ 43 Abs. 1 S. 2 BVerfGG), nach der der Finanzierungsausschluss als Hilfsantrag gemeinsam mit einem Antrag auf ein Parteiverbot gestellt werden kann.
Die (vermeintliche) Dauer des Verfahrens ist ebenfalls kein Grund, es nicht zu verfolgen. Sie gewährleistet die Einhaltung verfassungsrechtlich-rechtsstaatlich vorgegebener Rahmenbedingungen und schützt dadurch die Integrität des Parteiverbotsverfahrens, beugt Willkür und damit der Erschütterung des Demokratieempfindens der Bevölkerung vor. Es zeichnet die in unserer Verfassung in leuchtendem Rot angelegten Grundregeln und Grundwerte unserer Gesellschaft kraftvoll nach. Das Verbot der AfD dient gerade nicht der kurzfristigen Entledigung unliebsamer Konkurrenz; es ist vielmehr ein dogmatisch ausgereiftes und in der Verfassungstradition verankertes Schutzinstrument, das die deutsche Demokratie vor langfristigen Schäden bewahren soll. Das Grundgesetz etabliert eine wertegebundene Ordnung, keinen Gesinnungsstaat. Ein Parteiverbot aber verbietet nicht die individuelle Gesinnung. Im freiheitlich-demokratischen Staat des Grundgesetzes sind einerseits individuelle verfassungskritische Anschauungen auszuhalten; andererseits hat dieser Staat auch die Aufgabe, institutionalisierten Formen solcher Anschauungen, die auf die Überwindung der grundlegenden Verfassungswerte gerichtet sind und aktiv auf die Errichtung einer ihnen entgegenstehenden Ordnung hinarbeiten, wehrhaft entgegenzutreten.
Die politische Auseinandersetzung erfordert zumindest, dass die Kontrahenten dieselben Regeln beachten. Das ist, bildhaft gesprochen, nicht der Fall, wenn zum Fußballspiel eine Mannschaft mit Baseballschlägern bewaffnet erscheint: dann kann – um eine leidige Sportmetapher zu bemühen – der Gegner nicht mit spielerischen Mitteln gestellt werden. Die AfD agiert im Widerspruch zu den Maximen der Verfassung und delegitimiert die Demokratie. Das führt jegliche politische Auseinandersetzung ad absurdum, einem solchen Verhalten stehen demokratische Parteien faktisch machtlos gegenüber; die Forderung, die AfD politisch zu stellen, kann nicht eingelöst werden, ist insofern unfair. Schon die Einleitung eines Parteiverbotsverfahrens beim Bundesverfassungsgericht könnte insofern zu einer Disziplinierung der AfD und zu einer Distanzierung von verfassungsfeindlichen Umtrieben führen.
Zwar ist es richtig, dass die rechtsextremen Ansichten in der Gesellschaft durch ein solches Verbot nicht beseitigt werden. Wer das anstrebt, hat mit dem Parteiverbotsverfahren tatsächlich das falsche Instrument gewählt, das eine solche Beseitigung aber auch von vornherein nicht bezweckt. Dass es dieses Ziel nicht erreicht und nicht erreichen kann, sollte ihm dann aber auch nicht entgegengehalten werden. Indem die institutionellen Parteistrukturen zerstört, das Vermögen eingezogen und die Abgeordneten der Partei ihre Mandate verlieren, verhindert das Parteiverbot vielmehr auf überaus wirksame Weise, die weitere Unterhöhlung demokratischer Institutionen, auf die eine verfassungswidrige Partei in der Übergangsphase hin zu einem anderen politischen System notwendig angewiesen ist – ohne die Mitgliedschaft in Parlamenten, ohne finanzielle Schlagkraft und ohne institutionelle Strukturen wird die Verfolgung verfassungswidriger Ziele signifikant erschwert. Damit aber eröffnet ein Parteiverbot vor allem ein Zeitfenster von einigen Jahren, die genutzt werden können und genutzt werden müssen, um effektiv gegen die weiterhin vorhandenen rechtsextremen Ansichten in der Bevölkerung effektiv vorzugehen und das erneute Erstarken rechtsextremer Parteien zu verhindern.
Schließlich sind es auch nicht die übrigen politischen Parteien, die die AfD aus dem Wettbewerb ausschließen, sondern das BVerfG als bewährter „Hüter der Verfassung“, das über großes Ansehen und politisches Kapital verfügt. Das Grundgesetz gebietet damit gleichsam selbst, das Instrumentarium zum Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung voll auszuschöpfen. Verliert die AfD aufgrund ihrer Verfassungswidrigkeit den Parteienstatus und ihre Mandate, verliert sie auch den notwendigen Einfluss auf die politische Willensbildung.
Das Verbot der AfD ist nicht das Ende der Auseinandersetzung mit rechtsextremen Positionen in der deutschen Gesellschaft, sondern ihr Anfang. Es schafft die Grundlage für ein level playing field, das den demokratischen Parteien ermöglicht, ihrer politischen Verantwortung gerecht zu werden. Der Ausschluss einer Partei, die mit verfassungswidrigen und damit auch wettbewerbswidrigen Mitteln agiert, sichert die Handlungsfähigkeit der übrigen demokratischen Akteure, rechtsextreme Strömungen in der Gesellschaft wirksam zu bekämpfen. Erst durch ein solches Parteiverbot wird eine Rückkehr zu verfassungspolitischer Normalität möglich.
Anhang: Zusammenstellung exemplarischer Belege
Die Entscheidungen des VG Köln und des OVG Nordrhein-Westfalen haben in eindrücklicher Weise gezeigt, dass sich bei der AfD zahlreiche Äußerungen finden, die auf eine verfassungsfeindliche Bestrebung hindeuten.1) Schon eine recht oberflächliche Sichtung des aktuell öffentlich zugänglichen Materials (die ohne Verwendung nachrichtendienstlicher Mittel auskommt) macht deutlich, dass sich die gerichtlichen Belegsammlung sowohl für die AfD-Bundespartei ebenso wie für sämtliche Landesverbände beinahe beliebig erweitern lässt. Als kursorische Übersicht können die im Folgenden zusammengestellten weiteren Belege die im Rahmen eines Parteiverbotsverfahrens erforderliche, umfassende und akribische Dokumentation (dann auch unter Berücksichtigung des vom Verfassungsschutz gesammelten Materials, vgl. § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BVerfSchG) freilich nicht ersetzen.
Die nachfolgende Belegsammlung ist in vier Fallgruppen unterteilt:
I. Ethnisch-kultureller Volksbegriff (S. 14)
II. Ausländer- und islamfeindliche Agitation (S. 20)
III. Sexistische, homo- und transphobe, queer-feindliche und ableistische Agitation (S. 25)
IV. Bestrebungen gegen das Demokratieprinzip (S. 27)
Viele der zitierten Aussagen betreffen dabei mehrere Fallgruppen und deuten in mehrfacher Hinsicht auf eine verfassungsfeindliche Bestrebung hin; vielfach wird auch die Nutzung der oben geschilderten Strategie plausibler Bestreitbarkeit (III. 4, S. 8) sichtbar.
I. Ethnisch-kultureller Volksbegriff
Bei der AfD finden sich zahlreiche abwertende Aussagen, aus denen deutlich wird, dass sie deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund nicht als gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft ansieht. Ein solcher ethnisch-kultureller Volksbegriff entspricht nicht der Konzeption des Grundgesetzes (BVerfG, Urteil vom 17.01.2017 – 2 BvB 1/13, BVerfGE 144, 20 Rn. 691) und ist mit der Menschenwürdegarantie unvereinbar (BVerfG, Urteil vom 17.01.2017 – 2 BvB 1/13, BVerfGE 144, 20 Rn. 635), da Menschen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft mehr Wert zugesprochen wird als anderen.
1. Allgemein
a) Bundesebene
Alice Weidel, Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, im November 2023: „Hürden für Doppelpass-Straftäter senken: Deutsche Staatsbürgerschaft aberkennen und abschieben!“2)
Götz Frömming, parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, im März 2024 auf X: „Es gibt in vielen Regionen gar nicht mehr genügend bio-deutsche Kinder, in die man die anderen integrieren könnte. […] Langfristig hilft nur eins: die radikale Begrenzung des Zustroms von immer mehr Menschen aus kulturfremden und bildungsfernen Schichten.“3), im Juli 2019 auf X: „Viele ehemals west-deutsche (sic!) Städte werden bald mehrheitlich von Migranten bewohnt sein. Dem Bevölkerungsaustausch folgen Verwahrlosung und zunehmende Kriminalität.“4) Und im September 2023 im Bundestag zur Migrationspolitik: „Was Sie hier machen, ist furchtbar und schrecklich. Sie versündigen sich an unseren Kindern. Sie haben das Problem erst entstehen lassen. Wir müssen dringend anfangen, es zu lösen. Wir brauchen Remigration.“5)
Sebastian Münzenmaier, stellvertretender Vorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion, im März 2023 bei einer Rede im Bundestag: „Sie nehmen uns unsere Tradition, Sie verunstalten unsere Sprache, und Sie verbieten schon Kindern das Indianerkostüm. Sie verändern durch Massenmigration und Regenbogenpropaganda dieses Land und Sie verwandeln Stadtviertel in Kriegsgebiete wie an Silvester in Neukölln. Ihre Migrationspolitik verändert den Anblick ganzer Dörfer und Städte. […] Wir müssen den Austausch unserer Bevölkerung beenden!“6)
Jörn König, stellvertretender Vorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion, im Mai 2024 auf Instagram: „++ Mehrheit sieht den großen Austausch kommen ++ Das Bundesamt für Verfassungsschutz deutet Begriffe wie „Großer Austausch“ oder „Bevölkerungsaustausch“ als rechtsextreme Verschwörungsvokabeln. […] Herr Haldenwang kann sich das rechtsextreme Framing „in die Haare schmieren“. Weitere Erkenntnisse der INSA-Umfrage: 45 % glauben, dass die Europäer nach und nach durch Afrikaner und Menschen aus dem Nahen Osten ersetzt werden. […] Liebe Leute, jetzt heißt es Konsequenzen ziehen und AfD wählen! Denn die AfD ist die einzige Partei, die konsequent dagegen ist!“7)
Alexander Gauland, Ehrenvorsitzender der AfD, bei einer Wahlkampfrede 2017: „Das sagt eine Deutschtürkin. Ladet sie mal ins Eichsfeld ein und sagt ihr dann, was spezifisch deutsche Kultur ist. Danach kommt sie hier nie wieder her, und wir werden sie dann auch, Gott sei Dank, in Anatolien entsorgen können.“8)
b) Landesebene
Katrin Ebner-Steiner, Fraktionsvorsitzende der AfD Bayern, äußerte im Dezember 2018 im bayrischen Landtag die „Befürchtung“, Bayern solle in eine „multi-ethnische Besiedlungszone“ umgewandelt werden und sprach von „der Zerstörung der europäischen Völker durch Masseneinwanderung“.9) Und im Dezember 2022: „Was soll es sonst sein als ein Bevölkerungsaustausch (Beifall bei der AfD)“.10)
Franz Schmid, Landtagsabgeordneter der AfD Bayern, im Juli 2023 auf X: „Es waren Türken. Ein Stück Papier und deutsche Kreissäle machen einen nicht zum Deutschen!“11) Im November 2023 schrieb er auf X: „Es gibt ein ethnisches Deutsches (sic!) Volk! Ja auch wenn […] es Vermischung schon immer gegeben hat, existiert eine relative Blutsverwandtschaft zwischen ethnischen Deutschen. […] Die ethnokulturelle Identität des deutschen Volkes zu wahren aka seinen Fortbestand zu sichern, ist keine NS-Forderung.“12)
Hugh Bronson, Abgeordneter im Abgeordnetenhaus Berlin, im April 2024 im Blauen Boten: „Wer traut sich noch, in diesem Umfeld Frauen und Mädchen zu schützen? Selbst bei Streitigkeiten unter arabischsprachigen Wachleuten sitzt das Messer locker. Wenn es richtig hoch hergeht, werden auch mal Unterkünfte abgefackelt.“13)
Hans-Christoph Berndt, Fraktionsvorsitzender der AfD Brandenburg, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft worden ist14), im Februar 2023 im Landtag: „Wenn die städtische Wohnungsbaugesellschaft von Lörrach Einheimische aus den Wohnungen wirft, weil Zitat ‚Deutschland einen erheblichen Zustrom von Flüchtlingen aus der Ukraine und anderen Weltregionen zu verzeichnen hat‘, dann, sehr geehrte Damen und Herren, ist der Bevölkerungsaustausch keine Verschwörungstheorie mehr, sondern Verwaltungspraxis.“15)
Die AfD Bremen im September 2024 über ihren offiziellen Account auf X: „Der Import von kulturfremden Einwanderern mit anderen Verständnissen für den Umgang mit Frauen führt immer mehr zu verbalen sowie körperlichen Belästigungen, Gewalt bis hin zu sexuellen Übergriffen.“16)
Die AfD Hamburg im April 2024 über ihren offiziellen Account auf X: „Mehr #Migration führt zu mehr #Kriminalität und #Gewalt. Die unkontrollierte #Masseneinwanderung aus #Afrika und dem arabischen Raum führt zum Kontrollverlust! #afd #hamburg“.17)
Pierre Lamely, stellvertretender Landessprecher der AfD Hessen, im August 2021 auf X: „Nachdem es zwecklos war, Frauenrechte in #Afganistan etablieren zu wollen, wo über Jahrhunderte eine gegenteilige kulturelle & religiöse Prägung stattfand, importiert Bundesregierung nun in größerer Zahl als #2015 Träger solcher Kulturunterschiede direkt nach [Deutschland]“.18)
Die AfD Hessen im August 2024 über ihren offiziellen Account auf X: „Die Bearbeitung von Einbürgerungsanträgen durch #Syrer und #Afghanen muss eingestellt werden! #Solingen #Migrationspolitik“.19)
Frank Grobe, Landtagsabgeordneter der AfD Hessen, im November 2024 auf X: „Die Geister, die ich rief: Gefährliche #Körperverletzung, #Sachbeschädigung: #Syrer, #Türken, #Libanesen – teils mit deutscher #Staatsbürgerschaft – attackieren zu #Halloween #Polizei. Wie werden wir solche #Migrations-Poltergeister wieder los?“20)
Stephan Bothe, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der AfD Niedersachsen, im Juli 2023 auf X: „+++Frankreich versinkt durch ethnische Unruhe im Chaos+++ Die tagelangen Ausschreitungen in Frankreich durch Migranten, welche die Städte in Schutt und Asche legen, zeigen ein tiefgreifendes katastrophales Scheitern der europäischen Migrationspolitik. Und auch die Silvesterkrawalle in deutschen Städten sind warnende Vorboten kommender Zeiten.“21)
Jan Bollinger, Vorsitzender der AfD Rheinland-Pfalz, im Mai 2023 auf Facebook: „[…] So wird der seit Jahrhunderten etablierte und in Grundgesetz und Landesverfassungen enthaltene Volksbegriff auf Grundlage der ethnisch-kulturellen Volkszugehörigkeit künstlich in Gegensatz zum Begriff der staatlichen Volkszugehörigkeit gebracht und als rechtsextrem deklariert, obwohl diese beiden Volksbegriffe gar nicht in Konkurrenz zueinanderstehen oder sich gegenseitig ausschließen.“22)
Bernd Schattner, stellvertretender Vorsitzender der AfD Rheinland-Pfalz, im Oktober 2023 auf Facebook: „Remigration jetzt statt begrenztem Zuzug. Remigration rettet Leben und schafft Wohnraum. Wer sich nicht integriert muss gehen!“23)
Nicole Höchst, stellvertretende Vorsitzende der AfD Rheinland-Pfalz, im Dezember 2023 im Bundestag: „Selbst das beste und teuerste Bildungssystem kann die Kinder der arabischen Invasion […] nicht zu Fachkräften ausbilden, schon gar nicht, wenn sie nicht ausreichend Deutsch sprechen. […] Sie können die Nichtleister nicht mehr in den Regelschulklassen verstecken, auch nicht hinter einer verschenkten deutschen Staatsbürgerschaft.“24)
Die AfD Saarland im August 2024 über ihren offiziellen Account auf X: „[…] Dieser Fall macht deutlich, wie sehr die Altparteien unser Land durch die ungesteuerte Masseneinwanderung von Millionen von kulturfremden #Migranten zum negativen verändert haben.“25)
Die AfD Sachsen im Juni 2024 auf ihrer offiziellen Homepage: „Die nächste Bundestagswahl wird wahrscheinlich von „Neubürgern“ entschieden. Durch die neuen Turbo-Einbürgerungen könnten 600.000 Migranten bis dahin einen deutschen Pass erhalten. […] Die Zukunft sieht sogar noch düsterer aus, wenn das Verschenken deutscher Pässe nicht sofort gestoppt wird. So haben ausländische Frauen in Deutschland eine erheblich höhere Geburtenquote als deutsche Frauen. In vielen westdeutschen Großstädten sind die deutschen Ureinwohner bereits heute in der Minderheit.“26)
Die AfD Schleswig-Holstein in ihrem Wahlprogramm 2022: „Die AfD lehnt das Konzept einer multikulturellen Gesellschaft ohne deutsche Leitkultur ab. Denn dieses zerstört die sprachliche und kulturelle Identität der Deutschen. […] Das Konzept fortwährender Integration und Assimilation anbrandender Migrationswellen in den deutschen Kultur- und Identitätsraum ist gescheitert, die Kapazitäten dafür sind erschöpft.”27)
Die AfD Thüringen in ihrem Wahlprogramm 2019: „Eine intakte Rechtsordnung fußt auf unhinterfragten Selbstverständlichkeiten, die es in der von allen Altparteien angestrebten multikulturellen Gesellschaft nicht geben kann. Deshalb weist die AfD Thüringen entschieden das Ansinnen zurück, unsere über Generationen gewachsene Vertrauensgesellschaft in eine multikulturelle Gesellschaft aufzulösen.“28)
Die AfD Thüringen im September 2023 über ihren offiziellen Account auf Facebook: „Die AfD lehnt die von der Bundesregierung geplante Gesetzesänderung ab, weil damit das deutsche Volk seine Identität verlieren würde. Wir wollen keine multikulturelle Gesellschaft, in der jeder seinen Pass nach Belieben wechseln kann.“29)
Björn Höcke, Vorsitzender der AfD Thüringen, vom Bundesamt für Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft, im Rahmen einer Kundgebung im Oktober 2023 in Erfurt: „Aber die Kartellparteien, dieser wild gewordene Hausmeister im Bunde mit Taugenichtsen und mit Mietnomaden, die richten dieses Haus Deutschland gerade zugrunde. Sie reißen das Dach ab. Sie geben jedem den Schlüssel. Jeder kann in dieses Haus rein, und ja, sogar das Fundament wird jetzt mit Stemmeisen aufgebrochen. Das, liebe Freunde, das gab es so in Deutschland noch nicht. Deutschland schafft sich nicht ab, Deutschland wird gemordet. So muss man das sehr deutlich einordnen. Dieses Haus Deutschland wird gerade abgerissen. Und das müssen wir verhindern. Auch wir von der AfD. Wir sind nur der Hausmeister. Oder wir wollen der Hausmeister werden Ende 2024. Wir wollen die Schlüsselgewalt. Wir wollen die Schlüsselgewalt von Euch bekommen. Wir wollen die Hebel der Regierung in die Hand bekommen, damit wir in dieses Haus eintreten können. Damit wir die Fenster aufreißen können und die schlechte Luft endlich nach draußen bekommen. […] Wir wollen das Haus Deutschland für das deutsche Volk wieder bewohnbar machen.“30)
2. Positiver Bezug auf das Geheimtreffen in Potsdam
Dass die AfD von einem ethnisch-kulturellen Volksbegriff ausgeht, zeigt sich auch in ihrem Umgang mit dem im Januar 2024 vom Recherche-Netzwerk Correctiv veröffentlichten Bericht über ein Geheimtreffen in Potsdam.31) Dort soll über die Forderung, mehrere Millionen von Menschen aus Deutschland zu vertreiben, unter dem Stichwort „Remigration“ diskutiert worden sein. Dabei sei es auch um die Umsetzbarkeit einer Abschiebung von deutschen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern, die nicht in das ethnisch-kulturelle Volksverständnis der Teilnehmenden passen („nicht assimilierte Staatsbürger“) gegangen.32) Diese rassistische Hierarchisierung von Menschen ist mit der unantastbaren Würde aller Menschen nicht vereinbar und klar verfassungswidrig. Auch das Demokratieprinzip wird unterlaufen, wenn ein Teil des Staatsvolkes nach Art. 20 Abs. 2 GG entlang rassistischer Zuschreibung von der demokratischen Teilhabe ausgeschlossen und deportiert werden soll.
Unabhängig davon, ob die Recherche von Correctiv vor dem Bundesverfassungsgericht als Beweismittel Bestand hätte, haben sich inzwischen mehrere führende Funktionäre der AfD positiv auf das Treffen bezogen und sich die Forderung zu eigen gemacht.
Stefan Keuter, stellvertretender Vorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion, unmittelbar nach der Veröffentlichung der Correctiv-Recherche im Januar 2024 auf X: „Wir haben einen „Geh heim“ Plan! #Remigration”.33)
Bernd Baumann, parlamentarischer Geschäftsführer der AfD- Bundestagsfraktion, unmittelbar nach der Veröffentlichung der Correctiv-Recherche im Januar 2024 in der Tagesschau: „Das war ein Treffen, wie es tausende in Deutschland gibt. […] Wir sind für Remigration.“34)
René Springer, Abgeordneter der AfD-Bundestagsfraktion, unmittelbar nach der Veröffentlichung der Correctiv-Recherche im Januar 2024 auf X: „Wir werden Ausländer in ihre Heimat zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimplan. Das ist ein Versprechen.“35)
Sebastian Münzenmaier, stellvertretender Vorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion, sagte bereits in einer Rede im November 2023: „Die Losung der Stunde lautet Remigration. Und zwar millionenfache Remigration.“36) Ob seine spätere, gegenüber dem SWR geäußerte Relativierung der Zahlen ausreicht, um die Zurechnung zu unterbrechen, erscheint zumindest zweifelhaft.
Martin Böhm, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der AfD Bayern im Interview mit der BSZ Januar 2024: „BSZ: Wenn das ein legitimes Treffen war, warum musste der Mitarbeiter von Frau Weidel, der dabei war, seinen Hut nehmen? / Böhm: Da müssen Sie Frau Weidel fragen. Wenn’s mein Mitarbeiter gewesen wäre, hätte ich jedenfalls erwartet, vorab informiert zu werden. / BSZ: Wären Sie auch hingegangen? / Böhm: Ja, klar.“37)
Hans-Christoph Berndt, Fraktionsvorsitzender der AfD Brandenburg, vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft, mehrfach im Jahr 2024: „Remigration ist kein Geheimplan, sondern ein Versprechen!“38)
Carsten Becker, Vorsitzender der AfD Saarland, unmittelbar nach der Veröffentlichung der Correctiv-Recherche in einem Interview im Januar 2024: „Bei einem genaueren Blick entpuppt sich der vermeintliche Sensationsbericht als lupenreiner Rohrkrepierer. Denn die Forderung nach Remigration wird von Vertretern der AfD längst offen und selbstbewusst vertreten.“39)
Sigmund Ullrich, Fraktionsvorsitzender der AfD Sachsen-Anhalt, unmittelbar nach der Veröffentlichung der Correctiv-Recherche: „Remigration ist kein Unwort, Remigration ist eine Selbstverständlichkeit und das Gebot der Stunde.“40)
Die AfD Bayern beschließt im November 2024 auf ihrem Landesparteitag eine „Bayerische Resolution für Remigration“. Darin fordert die Partei die millionenfache Abschiebung von Migranten, die straffällig geworden seien oder eine schwach ausgeprägte Integrationsfähigkeit und –willigkeit hätten. Weiterhin fordert sie die Aberkennung bereits zuerkannter deutscher Staatsbürgerschaften.41)
II. Ausländer- und islamfeindliche Agitation
Zudem betreibt die AfD ausländer- und islamfeindliche Agitation. Viele Aussagen dieser Fallgruppe stehen im Widerspruch zur Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes. Denn in ihnen kommt zum Ausdruck, dass die AfD nicht das Individuum, sondern nur das Kollektiv („die Ausländer“, „die Moslems“) bestimmter Personengruppen betrachtet und ihm pauschal negative Eigenschaften zuschreibt. Diese Personengruppen werden insbesondere als kriminell oder faul herabgewürdigt. Dadurch werden die Angehörigen der jeweiligen Gruppe in ihrer Menschenwürde verletzt. Kern dieser Äußerungen ist die implizite oder explizite Aussage, dass die Probleme Deutschlands hauptsächlich von Zuwanderern oder Menschen mit Migrationsgeschichte verursacht werden (VG Köln, Beschluss vom 05.02.2024 – 13 L 1124/23, Rn. 279 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.05.2024 – 5 A 1218/22, Rn. 234ff.). Dabei werden häufig abwertende („Messermänner“) und objektifizierende („importiert“) Vokabeln verwendet.
1. Bundesebene
Die Parteivorsitzende Alice Weidel im November 2023 auf Facebook: „In NRW wird das Kalifat ausgerufen, in Berlin erst der Neptun-Brunnen ‚erobert‘, dann die Polizei attackiert. Was beide gemeinsam haben: Sie werden von einer CDU regiert, die ab 2015 im Bund & bis heute in den Ländern ein Migrationschaos verantwortet, das nicht nur den Sozialstaat, sondern vor allem die Sicherheit der Bürger gefährdet.“42)
Der Parteivorsitzende Tino Chrupalla im Juni 2023 in einem Podcast: „Was wir sehen, sind ja hauptsächlich junge Männer – Analphabeten, nicht ausgebildet – also, das sind genau diejenigen, […] mit denen wir die riesigen Probleme haben. Noch dazu mit denen, die hier kriminell auffallen.“43)
Beatrix von Storch, stellvertretende Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, im Oktober 2024 auf Facebook: „Unerträglich. Kein Wort über DAS Thema, das die Menschen am meisten bewegt: die illegale Masseneinwanderung, die Deutschland verändert hat und die den Bürgern Angst macht. Die importierte Gewalt – Messermänner und Gruppenvergewaltiger. Die vielen zig Milliarden Jahr für Jahr für Unterbringung, für Schulen, Kitas, Wohnraum und medizinische Versorgung. Geld, das wir dringend brauchen für unsere marode Infrastruktur, für ein besseres Gesundheitssystem, für menschenwürdige Renten usw.“44)
Stephan Brandner, parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion im Juli 2024 im Bundestag: „Sie haben […] Frauen und Kinder migrantischen Straftätern zum Fraß vorgeworfen und tun jetzt so, als hätten Sie damit überhaupt nichts zu tun. […] Denn Tatsache ist, dass Sie verantwortlich sind für in den letzten Jahren Zigtausende erstochene, ermordete, totgetretene, vergewaltigte und verletzte Opfer von Migranten, die alle noch unverletzt leben würden, wären Sie der AfD und unseren Forderungen gefolgt und nicht Frau Merkel und ihrem kriminellen Multi-Kulti-Wahn.“45)
Götz Frömming, parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion im April 2024 im Bundestag: „Eine Zunahme des Antisemitismus an Schulen wird auch in anderen europäischen Ländern beobachtet. Konkreter muss es heißen: in westeuropäischen Ländern. In osteuropäischen Ländern gibt es dieses Problem so gut wie nicht: zum einen, weil es dort weniger Muslime gibt, zum anderen aber auch, weil der moderne Antisemitismus dort nicht das linke, woke Biotop findet, in dem er heute besonders gut gedeiht, weil man ihn dort nicht unbedingt vermutet.“46)
Sebastian Münzenmaier, stellvertretender Vorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion, im Juli 2024: „Die Altparteien und ihre Hilfsaktivisten in den Redaktionsstuben leben ihren Migrationsfanatismus aus und entwürdigen Deutschland als all-inclusive-Tempel der ganzen Welt.“47)
Jörn König, stellvertretender Vorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion, im Juni 2024 auf Instagram: „Die Fußball-EM wird von vielen Messer-Attacken überschattet Schluss mit importierter Gewalt! Trotz Grenzkontrollen, trotz „Sicherheitskonzept“, die Messer- und Gewaltattacken reißen auch bei der EM nicht ab. Das ist die importierte Messer-Multi-Kulti-Gewalt verursacht von allen alten Parteien!“48), und im September 2024: „Terror mit Machete in Essen, Moschee-Mob in Neukölln Schluss mit importierter Gewalt!“49)
Stefan Keuter, stellvertretender Vorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion, im November 2023 bei einer Rede im Bundestag: „Heerscharen unqualifizierter Migranten sind über unsere Heimat hergefallen und saugen unsere Sozialsysteme aus. Wir erleben eine fortschreitende Islamisierung, Messermänner und Gruppenvergewaltigungen sind heute schon an der Tagesordnung. Islamistische Mobs marodieren auf deutschen Straßen, die Polizei wird der Lage nicht mehr Herr.“50)Und im November 2023 auf X über muslimische Männer: „HEUTE LEBEN SIE VON UNSEREM GELD / MORGEN NEHMEN SIE UNS UNSER LAND“.51)
Alexander Gauland, Ehrenvorsitzender der AfD, im November 2023 bei Maischberger: „Ja, wir sind gegen die Massenimmigration von Menschen, die von einer völlig fremden, uns fremden, Kultur kommen. Und Sie sehen auf den Straßen, was wir jetzt erleben können, in der Auseinandersetzung um Israel, dass es in der Tat Menschen gibt, die bei uns eingewandert sind, die mit den Werten, die auch Sie vertreten, die ich auch vertrete, überhaupt nichts zu tun haben. Und das war ein Fehler.“52)
2. Landesebene
Markus Frohnmaier, Vorsitzender der AfD Baden-Württemberg, im August 2019 auf X: „Deutschland wird zum Schlachthaus. Messer- und Gleisbettmigranten zerstückeln die Bürger. Auch in Stuttgart war es wieder ein ‚Helmut‘“.53)
Katrin Ebner-Steiner, Fraktionsvorsitzende der AfD Bayern, im März 2023 im bayrischen Landtag: „Entgrenzende Masseninvasion in unsere Sozialsysteme und die Aufgabe der nationalen Souveränität über unsere Grenzen – das war die CSU. (…) Über sieben Gruppenvergewaltigungen im Jahr sowie Tausende von ‚Einzelfällen‘ von ‚Messerfachkräften‘ und ‚Axtexperten‘ sind wesentliches Resultat Ihrer Politik.“54)
Karsten Woldeidt, Abgeordneter im Abgeordnetenhaus Berlin, im Juli 2024 auf YouTube: „Wir haben ein massives Problem mit Gewaltkriminalität in der Stadt, wir haben ein massives Problem mit aggressiven migrantischen jungen Männern, die auch immer wieder zu Tatmitteln greifen, wie Messern und die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache und es hilft nichts, wenn man die Dinge irgendwie beschönigt und versucht zu relativieren.“55)
Birgit Bessin, Landtagsabgeordnete der AfD Brandenburg, im November 2024 auf Facebook: „Wer versucht, diese erschreckenden Zahlen mit ein paar Strafrechtsveränderungen im Jahr 2016 schönzureden, will wohl nicht über die wahren Gründe sprechen. Die Wahrheit ist: Viel zu viele junge Männer aus frauenfeindlichen Gesellschaften wurden importiert. Und die sind zumeist nicht bereit, unsere aufgeklärte Gesellschaft anzuerkennen und damit Frauen zu achten. […] Wir aber wehren uns gegen den Einzug eines mittelalterlichen Gesellschaftsbildes und setzen uns seit Jahren und auch weiterhin für einen Politikwechsel ein, damit unsere Frauen und Mädchen künftig frei und sicher leben können.“56)
Die AfD Bremen im November 2024 über ihren offiziellen Account auf X: „Messermänner auf dem Freimarkt stoppen! Der Bremer Freimarkt wird immer unsicherer und die Polizei müsste eine düstere Bilanz ziehen – eigentlich. Denn laut Buten und Binnen ist die Polizei trotz 600 Messerfunde dennoch zufrieden. Wir aber nicht! Denn unsere Feste und Traditionen werden zunehmend durch Übergriffe und Respektlosigkeit bedroht – oft durch ausländische Täter, die sich an unsere Regeln nicht halten wollen.“57)
Die AfD Hamburg im April 2024 über ihren offiziellen Account auf X: „Mehr #Migration führt zu mehr #Kriminalität und #Gewalt. Die unkontrollierte #Masseneinwanderung aus #Afrika und dem arabischen Raum führt zum Kontrollverlust! #afd #hamburg“.58)
Pierre Lamely, stellvertretender Landessprecher der AfD Hessen, im September 2021 auf X: „Re-Import von Kinderschändern aus #Afghanistan? Diese CDU/SPD-Bundesregierung tickt doch nicht richtig!“59) und im Juni 2021 in Bezug auf die Rettung von afghanischen Ortskräften „[…] Wir haben jetzt schon mit unbezahlbaren Mieten und einer überproportional hohen Kriminalität durch sog. Flüchtlinge™️ zu kämpfen. Deshalb #grenzendicht, herkunftsnahe Fluchträume schaffen und #Afganistan-Konferenz einleiten“.60)
Jan Nolte, Vorstandmitglied der AfD Hessen, im August 2024 auf X in Bezug auf die EDEKA-Kampagne gegen die AfD und für Vielfalt: „Dann aber bitte auch nicht beklagen, wenn die zunehmende Vielfalt sich durch Gewalt, Ladendiebstähle und steigende Kosten für Sicherheit bemerkbar macht.“61)
Nikolaus Kramer, Sprecher der AfD-Fraktion Mecklenburg-Vorpommern, im April 2024 auf X: „Abschiebungen retten Leben“62), und im August 2024 auf X: „[Messerangriff] made in Germany made by Vielfalt“.63)
Ansgar Schledde, Vorsitzender der AfD Niedersachsen, im Oktober 2024 auf X: „Die derzeitige Politik der offenen Grenzen führt zu einem Anstieg von Sozialkosten, Kriminalität und gesellschaftlicher Spaltung. Statt Ressourcen für die Integration von Menschen zu verschwenden, die unsere Gesellschaft nicht bereichern, sollte Deutschland zuerst auf die Bedürfnisse seiner eigenen Bürger eingehen.“64)
Enxhi Seli-Zacharias, Abgeordnete des Landtags Nordrhein-Westfalen, im September 2024 auf X: „Die Syrer werden als das undankbarste Volk in die Geschichte eingehen. [Deutschland] öffnete wahrlich das Herz für diese Menschen. Gedankt wird dieser Republik, in dem man ihre Landsleute abschlachtet. In allen anderen Ländern hätten diese undankbaren Araber (siehe Türkei) Not zu überleben!“65), und im Juni 2023: „Könnt ihr Euch an die Zeit nach 9/11 erinnern? Als man die Straßenseite wechselte, wenn verschleierte und bärtige Moslems auf einen zukamen. Ich war noch recht jung. Von dieser Sorte gab es damals nicht viele. Der Unterschied zu heute: Das Ausweichen wird schwieriger. #islamismus“.66)
Bernd Schattner, stellvertretender Vorsitzender der AfD Rheinland-Pfalz, im August 2024 auf Facebook: „Remigration, Remigration, Remigration. […] Beamte der Bundespolizei haben also de facto Messermördern und Vergewaltigern, die die Sicherheit unserer Bevölkerung bedrohen, Nichts (sic!) entgegenzusetzen. […] Frau Faeser, tun Sie dem deutschen Volk einen Gefallen und treten Sie und die gesamte Bundesregierung zurück, damit es endlich wieder um den Schutz und die Belange des eigenen Volkes, nicht irgendwelcher dahergelaufenen Schwerverbrecher aus aller Herrenländer geht!“67)
Die AfD Saarland im April 2024 über ihren offiziellen Account auf X: „Sommer, Sonne, Migrantenrandale! Bilder, die mittlerweile (leider) alltäglich scheinen: Migrantengewalt auf deutschen Straßen. Diesmal kursiert ein Video aus Dillingen im Netz – Der obligatorische Kopftritt und die Machete dürfen dabei natürlich nicht fehlen. Wir weigern uns, dies als „Normalität“ anzuerkennen! Nur mit der #AfD wird es eine Remigrations-Kampagne und ein Ende solcher Szenen geben!“68)
Die AfD Sachsen im November 2024 über ihren offiziellen Account auf X: „#CDU-Innenminister Armin Schuster muss überall in #Sachsen für Sicherheit und Ordnung sorgen. Das geht nur mit einer Abkehr von der Multikulti-Ideologie. Denn: #Multikulti ist nicht bunt und schön. Multikulti bringt Kriminalität und Verwahrlosung! #AfD #Dresden“69)
Nadine Koppehel, Landtagsabgeordnete der AfD Sachsen-Anhalt, im Juni 2023 auf Facebook: „Dieses Politikversagen durch (sic!) kann man nun nicht mehr leugnen!! Abschiebung und kontrollierte Einwanderung müssen Priorität sein, denn unser Volk muss vor diesen Mördern, Vergewaltigern und Sozialtouristen geschützt werden! Keine Fachkräfte…nur importierte Kriminalität das ist die traurige Realität in unserem schönen Deutschland!“70)
Die AfD Schleswig-Holstein in ihrem Wahlprogramm 2022: „Deutschland ist weit davon entfernt, die negativen Auswirkungen der offenen Grenzen von 2015 bewältigen zu können. Arbeitslosigkeit, Kriminalität und sexuelle Gewalt sind Folgen dieser Migrationswelle. Wir müssen verhindern, dass sich der Kontrollverlust von 2015 wiederholt. […] Wir müssen zuerst an die Sicherheit der deutschen Bürger denken. Das Asylrecht muss daher ausgesetzt, die Grenzen müssen geschützt und Migranten ohne Einreiseerlaubnis zurückgewiesen werden.“71)
Björn Höcke, Vorsitzender der AfD Thüringen, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft worden ist, äußerte in einer Rede in Erfurt im August 2024, dass Migration die „Mutter aller Krisen“ ist. Er verbindet Migration mit einer Reihe von negativen Folgen, darunter der Zerfall der inneren Sicherheit, Gruppenvergewaltigungen, Messermorden, der Plünderung der Sozialversicherungssysteme, dem Kollaps des Bildungssystems und der Überlastung des Wohnungsmarktes. Höcke betont, dass 50 Prozent der Bürgergeldempfänger Ausländer seien, und stellt die Migranten als eine Belastung für die deutsche Gesellschaft dar, die von den „Kartellparteien“ verantwortet wird.72)
III. Sexistische, homo- und transphobe, queerfeindliche und ableistische Agitation
Die AfD wertet Menschen nicht nur aufgrund ihrer (ethnischen) Herkunft oder ihrer Religion ab, sondern auch wegen ihrer geschlechtlichen Identität, Sexualität oder geistiger bzw. körperlicher Beeinträchtigungen. In ihren Aussagen wird deutlich, dass sie nur Menschen, die ihrem heteronormativen Ideal entsprechen, Menschenwürde, soziale Achtung und gesellschaftliche Teilhabe zuerkennt. Eine Differenzierung der Wertigkeit von Menschen anhand dieser Kriterien ist jedoch mit der Menschenwürde unvereinbar (BVerfG, Urteil vom 23. Januar 2024 – 2 BvB 1/19, Rn. 350, 365).
Alice Weidel, Bundesvorsitzende im Sommerinterview 2023: „Was den Leuten extrem auf den Wecker geht, dass unter dem Motto der Regenbogenflagge hier jetzt so eine Trans-Popkultur einer Minderheit gefördert wird und die Menschen sich einfach nur noch fragen, wie schützen wir eigentlich unsere eigenen Kinder in den Schulen und Kitas davor, dass so etwas vermittelt wird.“73)
Beatrix von Storch, Bundestagsabgeordnete, in einer Pressemitteilung im Juni 2022 zum Selbstbestimmungsgesetz: „Dieses Gesetz, das biologische Realitäten der Ideologie einer kleinen, radikalen Minderheit opfert, ist ein Schlag ins Gesicht von Frauen, die sich mit Männern auseinandersetzen müssen, die sich selbst als Frauen definieren. Die eigene Frauenfeindlichkeit der Scholz-Truppe zeigt sich darin, dass das Selbstbestimmungsgesetz demnächst Männern ganz einfach ermöglicht, ihren amtlichen Geschlechtseintrag und damit ihren rechtlichen Status nur durch eine schlichte Selbstdeklaration beim Standesamt zu ändern (Buschmann: ‚Wie die Verlängerung eines Reisepasses‘).“74) Und im Juni 2022 im Bundestag: „Ein Fisch ist kein Fahrrad, ein Mann ist keine Frau, und Gender ist gaga. (Beifall bei der AfD)“.75) In derselben Rede: „Biologisch und juristisch ist und bleibt er [Tessa Ganserer] ein Mann. Und wenn er als solcher über die grüne Frauenquote in den Bundestag einzieht […] und hier als Frau geführt wird, dann ist das schlicht rechtswidrig. […] Transphob ist offensichtlich ein anderes Wort für „nicht blöd“.“76)
Maximilian Krah, Spitzenkandidat für die Europawahl 2024, im Juni 2021 auf X: „Die Regenbogenfahne ist das wahre Zeichen dessen, was wir heute als „westliche Werte“ bezeichnen: Identitätspolitik für winzige sexuell definierte Minderheiten auf Kosten der Mehrheit, Hass auf die eigene Tradition und Kultur, Ablehnung der Familie. In einem Wort: Dekadenz.“77) Und im November 2023: „Weil manche Konservative nun den Feminismus verteidigen, erlaube ich mir den Hinweis, dass der aktuelle „intersektionale“ Feminismus der dritten Welle natürlich „queer“ ist – also explizit gegen eine biologisch determinierte Weiblichkeit gerichtet. Das ist sozialer Krebs!“.
Franz Schmid, Landtagsabgeordneter der AfD Bayern, im November 2023 auf X: „Ich habe Herrn Utlu Degeneration vorgeworfen. Dabei bleibe ich. Ich meine damit seine unpassende, öffentliche Schaustellung von sexuellen Inhalten. Seine Homosexualität aber nicht. Sexualität ist eine Privatsache und gehört explizit dort ausgelebt, In der Öffentlichkeit hat man sich angemessen zurückzuhalten. Das ist Mehrheitsmeinung in der Partei.“78)
Pierre Lamely, Stellvertretender Landessprecher der AfD Hessen, im Oktober 2021 auf X in Bezug auf Georgine Kellermann: „Nicht weniger „einfältig“ als ein Mann der sich in Fummel schmeißt und sich für die schönste Frau der Welt hält.“79)
Ansgar Schledde, Landesvorsitzender der AfD Niedersachsen, im November 2024 auf X: „Aus Markus wird Tessa. Linksgrün befreit den #Geschlechtseintrag von lästigen Fakten. Denn ab heute gilt das absurde #Selbstbestimmungsgesetz. Die AfD wird diesen Unsinn sofort wieder rückgängig machen.“80)
Vanessa Behrendt, Landtagsabgeordnete der AfD-Niedersachen, im Oktober 2024 auf X: „Die Regenbogenfahne steht für: Machenschaften pädophiler Lobbygruppen, die Gefährdung von Kindern durch LGBTQ-Propaganda, das Bedrängen von Kleinkindern mit Transsexualität, das legale ‘Kuscheln’ und ‘Rangeln’ fremder Männer mit Kindergartenkindern (‘Original Play’) und die Behandlung von Geschlechtsidentitätsstörungen mit Pubertätsblockern, Hormontherapien und Transgender-OPs. Wenn wir unsere Kinder schützen wollen, dann gibt es nur eine Partei, die das Thema wirklich an der Wurzel packt: die #AfD!“.81)
Enxhi Seli-Zacharias, Landtagsabgeordnete der AfD Nordrhein-Westfalen im Februar 2024 auf X: „Nur mal so: Du bist schwanger und musst jeden Tag mit Übelkeit, Rückenschmerzen und Unwohlsein klarkommen – und urplötzlich kommt ein Vogel um die Ecke, der dir erzählen will, er fühle sich als Frau & bla bla. Darf man solchen Leuten eigentlich eine kleben? 🤣 #LGBTIQ #🌈“.82)
Die AfD-Fraktion im Kreistag von Bad Kreuznach bezeichnete zwei Menschen mit Behinderungen als „Problemfälle“, die den Kreis mit einer „kaum nachvollziehbaren Summe“ belasten.83)
Markus Frohnmaier, Landesvorsitzender der AfD Baden-Württemberg, im Januar 2018 auf Facebook: „Leistungsprinzip statt Inklusion und Kuschelunterricht!“.84)
Der Landesverband Bremen bezeichnete in seinem Wahlprogramm aus dem Jahr 2023 Kinder mit Behinderungen pauschal als „leistungsschwach“.85)
IV. Bestrebungen gegen das Demokratieprinzip
Schließlich agitiert die AfD gegen die verfassungsmäßige Grundordnung in einer Art und Weise, die das Maß der zulässigen Kritik an staatlichen Institutionen übersteigt. Dabei setzt sie pauschal politische Gegner sowie staatliche Institutionen herab und verbindet dies mit der Andeutung, dass die Ursache der bestehenden Missstände in der Grundordnung selbst liege. In der Folge erschüttert sie so das Vertrauen der Bevölkerung in die Demokratie (VG Köln, Beschluss vom 05.02.2024 – 13 L 1124/23, Rn. 369, 371).
1. Allgemein
a) Bundesebene
Alice Weidel, Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, auf dem AfD-Parteitag 2024: „Und wir werden beobachtet vom Amtsverwalter CDU-Haldenwang. Verkehrte Welt, verrückte Welt. […] Der Verfassungsschutz ist selbst zum Verfassungsfeind geworden und er gehört in dieser Form abgeschafft.“86), und im Februar 2024 auf Facebook: „Ampel will die Meinungsfreiheit ausschalten! Was Faeser und Haldenwang gestern verkündeten, ist die Aushöhlung von Rechtsstaat und Verfassung.“87)
Bernd Baumann, parlamentarischer Geschäftsführer der AfD- Bundestagsfraktion, im November 2024 im Bundestag: „All dies sind Zeichen einer öko-sozialistischen Zwangswirtschaft. Sie erinnern mehr an die Apparate Honeckers und Mielkes […] Schuld an dieser Misere sind nicht unsere Millionen fleißigen Arbeiter […], sondern eine Kaste außer Rand und Band geratener Politiker.“88)Und im November 2024 auf YouTube: „Gestern war so eine Kampagne, an der sogar die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas von der SPD teilnahm. Ich beleuchte […] wie so eine Geschichte mit getürkten Informationen von Deutschlands höchster Stelle aus eingefädelt wird und wie dann praktisch alle links-grünen Leitmedien im Minutentakt drauf einsteigen.“89)
Stephan Brandner, parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, im Juni 2022 im Bundestag: „Letztendlich haben wir noch das Bundesverfassungsgericht – auch das nur noch ein Schatten seiner selbst –, über dessen Etat wir ja auch debattieren. Es ist in Zeiten von Corona leider zum willfährigen Abnicker der Altparteienpolitik verkommen.“90) Weiter schrieb er im September 2023 auf der offiziellen Website der AfD: „Offensichtlich versucht die Polizei auf Geheiß der Politik, Material, das nicht dem bunt-woken Weltbild der geglückten Integration entspricht, verschwinden zu lassen und argumentiert damit, dass es kein öffentliches Interesse gäbe.“91) Und im April 2023 auf Facebook: „”Ausländerkriminalität verschleiert #Messerstecher, #Gruppenvergewaltigungen: es sind keine #Einzelfälle! Will die #Bundesregierung #Ausländerkriminalität verschleiern? Der deutsche #Pass wird verramscht!”92)
Götz Frömming, parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, im Mai 2023 im Bundestag: „Sie drangsalieren uns mit dem sogenannten Verfassungsschutz, den Sie nach dem Austausch des Präsidenten nun vollkommen instrumentalisiert haben.“93) und im April 2024 auf X: „Wenn das grün-linke Kartell der Altparteien geglaubt hat, dass Bürger mit Migrationshintergrund wegen ihrer Potsdamer Remigrations-Lüge nicht die AfD wählen würden, dann haben sie sich gewaltig getäuscht.“94)
Sebastian Münzenmaier, stellvertrender Fraktionsvorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion, im Juli 2021: „Dass der Verfassungsschutz die AfD als Verdachtsfall einstuft, ist ein durchschaubares Manöver des Altparteien-Establishments in Anbetracht des Superwahljahres 2021.“95) und im Februar 2021 im Bundestag: „Diese Bundesregierung versetzt vorsätzlich ein ganzes Volk in Angst. Meinungsvielfalt ist im Umfeld der Kanzlerin nicht erwünscht, stattdessen sollen Merkels Haus- und Hofwissenschaftler wie Drosten, Wieler oder Brinkmann politisch gewollte Panikmache möglichst wissenschaftlich anhauchen.“96)
Jörn König, stellvertretender Vorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion, im Mai 2024 auf Instagram: „Jetzt sind die Merkelschen Hetzjagd-Lügen geplatzt: Das Landgericht Chemnitz hat nach sechs Jahren die Eröffnung eines Hauptverfahrens gegen neun angeklagte ‚Hetzjäger‘ abgelehnt. Lüge und mediale Macht sind die Machtinstrumente der heute Herrschenden! Mehr haben sie nicht mehr!“97)
Alexander Gauland, Ehrenvorsitzender der AfD, im November 2023 bei Maischberger: „Dem Verfassungsschutz traue ich nicht über den Weg. Denn der Verfassungsschutz ist sozusagen Teil des politischen Kampfes der anderen Parteien gegen uns. […] Es ist so. Und von daher Definitionen des Verfassungsschutzes interessieren mich persönlich gar nicht.“98)
b) Landesebene
Martin Hess, stellvertretender Vorsitzender der AfD Baden-Württemberg, im November 2024 auf X: „Unser Land ist in Gefahr. Bedroht wird es ausgerechnet von den Altparteien, die sich realitätsfern stets als ‚demokratisch‘ bezeichnen.“99)
Markus Frohnmeier, Vorsitzender der AfD Baden-Württemberg, im Juni 2024 in Reaktion auf eine Untersagte AfD-Demonstration auf X: „Der Verfassungsbrecher Specht aus Mannheim ist unbelehrbar und geht nun gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vor, um uns in zweiter Instanz unsere Demo auf dem Marktplatz doch noch zu verbieten. CDU-Specht sollte lieber etwas gegen die Messerangriffe in seiner Stadt unternehmen, statt die Versammlungsfreiheit abzuschaffen!“100)
Martin Böhm, stellvertretender Vorsitzender der AfD Bayern, im Juni 2024 auf Facebook: „Je größer die Hetze, je absurder die Lügengeschichten des Altparteien-Medien-Kartells gegen die AfD, desto stabiler ist unsere Wählerschaft!“101)
Gunnar Lindemann, Beisitzer im Landesvorstand der AfD Berlin, in einer Rede im Juli 2023: „In dem gleichen feudalistischen Machtrausch ordnete sie [Merkel] dann auch mal kurz die Neuwahl des Ministerpräsidenten Thüringens an, als ihr das demokratisch gewählte Ergebnis nicht gefallen hat. Und heute, liebe Freunde, stehen wir vor dem Scherbenhaufen einer komplett aus dem Ruder gelaufenen Migrations- und Einwanderungspolitik, die tagtäglich durch Sozis, Linke und grüne Ökofaschisten pervertiert wird.“102)
Krzysztof Walczak, stellvertretender Vorsitzender der AfD Hamburg, im September 2024 auf X: „Die AfD hat die besseren Argumente, aber die anderen haben die Richter am Verfassungsgericht gewählt.“103)
Marie-Thérèse Kaiser, Kreisvorsitzende AfD Rotenburg/Wümme in Niedersachsen, im Oktober 2024 in Bezug auf ihre revisionsgerichtlich bestätigte Verurteilung wegen Volksverhetzung auf X: „Afghanen sind überproportional tatverdächtig, wenn es um Sexualdelikte geht. Trotzdem sollen wir die unkontrollierte Zuwanderung stillschweigend hinnehmen. Kritische Fragen sollen als „volksverhetzend“ abgetan werden.“104) Auf ihrem Profil auf X bezeichnet sie sich als „Germany’s next Justizopfer“.105)
Nikolaus Kramer, Sprecher der AfD-Fraktion Mecklenburg-Vorpommern, im November 2024: „Wenn Sie die Macht hätten, würden Sie mich, Herrn Schmidt und die gesamte AfD-Fraktion in ein Internierungslager stecken. Das unterstelle ich ihnen so.“106)
Jan Bollinger, Vorsitzender der AfD Rheinland-Pfalz, im Februar 2020 auf Facebook: „Parteienherrschaft gefährdet Volkssouveränität, FDP schafft sich selbst ab! […] Der neue Ministerpräsident Thüringens Thomas Kemmerich (FDP) ist von der Mehrheit der Abgeordneten im Thüringer Landtag demokratisch gewählt worden. Sofort war der frisch gewählte Ministerpräsident Ziel massivster Angriffe der etablierten Medien und Parteien einschließlich der Bundesspitze seiner eigenen FDP. Diesem Druck hat Herr Kemmerich nicht standgehalten und sein Amt einen Tag nach seiner Wahl niedergelegt. Selten findet sich ein so offenes Beispiel, wie das Kartell der etablierten Medien und Altparteien den Bürgerwillen zu Nichte macht und die Volkssouveränität gefährdet.“107)
Sebastian Wippel, stellvertretender Vorsitzender der AfD Sachsen, im Juli 2024: „Macht euch klar: Wer diesen Staat kritisiert, der wird diffamiert und er wird bekämpft. Und keine Lüge ist schlimm genug, als dass sie sie nicht über uns erzählen könnten. […] Und dann werden Demonstrationen gegen uns organisiert, die wir dieses Land ja eigentlich beschützen und retten wollen. Demonstrationen werden vom Staat organisiert. Protest von der Regierung und mit der Regierung gegen die Opposition.“108)
Daniel Roi, Landtagsabgeordneter der AfD Sachsen-Anhalt, im Februar 2024 auf Facebook: „Man kann sich das gar nicht mehr ausdenken, was hier passiert. Im Innenministerin (sic!) sitzt eine Antifa-Tante, die unsere Demokratie systematisch von innen aushöhlt, indem die Behörden politisch missbraucht werden. Die Opposition wird bespitzelt und überwacht. Jeder, der die Ampel kritisiert, geriet ins Fadenkreuz dieser Fanatiker. Das Agieren dieser Behörden ist ein Angriff auf die FDGO. Es geht nun ans Eingemachte und ich hoffe, die Menschen erkennen, wen sie das an die Spitze gewählt haben.“109)
Hans-Thomas Tillschneider, stellvertretender Vorsitzender der AfD Sachsen-Anhalt, im August 2021 auf X: „Das Verfassungsgericht ersetzt die Zustimmung Sachsen-Anhalts kurzerhand durch ein Urteil, versteht die Zwangsgebühr als Ausdruck von Rundfunkfreiheit und wertet diese ‚Freiheit‘ höher als die Entscheidungsfreiheit eines Parlaments. Verfassungshüter?“110)
Holger Stienen, Kreistagsabgeordneter im Herzogtum Lauenburg, Schleswig-Holstein auf Facebook: „Wir brauchen mal ein paar Jahre einen totalitären Staat alter Prägung, um mit dem Gesocks aufzuräumen und die letzten 10 Jahre Gesetzgebung zu kassieren.“111)
Björn Höcke, Vorsitzender der AfD Thüringen, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft worden ist, äußerte in seiner Rede im August 2024 scharfe Kritik an den „Kartellparteien“, die er für den Zerfall der inneren Sicherheit und die Notwendigkeit von Sicherheitsmaßnahmen bei Veranstaltungen der AfD verantwortlich macht. Er beschuldigt diese Parteien, die AfD und deren Anhänger systematisch zu attackieren und zu diffamieren, und bezeichnete diese Angriffe als diktatorisch.112)
2. Geschehnisse im Thüringer Landtag am 26.9.2024
Im Rahmen der konstituierenden Sitzung des 8. Thüringer Landtags am 26.09.2024 kam der Alterspräsident Jürgen Treutler, Mitglied der AfD-Fraktion, einem Antrag des Parlamentarischen Geschäftsführers der CDU-Fraktion auf Feststellung der Beschlussfähigkeit des Landtages nicht nach, sondern unterbrach die Sitzung und hielt anschließend seine Eröffnungsrede. Darin sagte er, es verstoße gegen den „Geist der parlamentarischen Demokratie“, wenn nicht der von der AfD vorgeschlagene Landtagspräsident gewählt werde. „Die Wähler in Thüringen erwarten, […] dass keine Winkelzüge gespielt werden, die am Ende die Demokratie ruinieren.“ Nach dem Ende der Rede verweigerte er weiter die Behandlung des Antrags, unterbrach mehrfach die Sitzung und setzte seine Rede mit widersprüchlichen Ausführungen zur Geschäftsordnung fort. Zudem entzog er dem Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU-Fraktion das Wort, wies die Landtagsverwaltung an, diesem das Mikrofon abzustellen und erteilte mehrere Ordnungsrufe. Schließlich schloss er sich der Rechtsansicht der AfD-Fraktion, dass der Landtag erst nach der Wahl des Landtagspräsidenten über die Ausgestaltung der Tagesordnung abstimmen dürfe, an.113)
Der Thüringer Verfassungsgerichtshof verpflichtete Treutler mit einer einstweiligen Anordnung, die Beschlussfähigkeit festzustellen und über die Tagesordnung abstimmen zu lassen und stellte dabei eine Verletzung der Parlaments- und Geschäftsordnungs-autonomie des Landtages fest. Die Bestimmung der Tagesordnung obliege dem Plenum, nicht dem Alterspräsidenten.114)
Das Verhalten des Alterspräsidenten missachtet das Demokratieprinzip. Er nutzte seine nicht vom Landtag legitimierte Position, um in Überschreitung seiner Kompetenzen die Parlamentsautonomie und die Abgeordnetenrechte zu untergraben, den Landtag so bis zur Wahl des Landtagspräsidenten funktionsunfähig zu machen und als undemokratisch zu diskreditieren.
Krzysztof Walczak, stellvertretender Vorsitzender AfD Hamburg, kommentierte das Geschehen im September 2024 auf X: „Jetzt macht der Alterspräsident genau das, was er schon am Donnerstag versucht hat, ehe er vom CDU-Frettchen unterbrochen wurde – Schriftführer benennen und Beschlussfähigkeit des Landtags feststellen. Dafür hätte es kein Falschurteil des Verfassungsgerichts gebraucht.“115)
Die Stellungnahme wurde an den Innen- sowie den Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages versandt.
References
↑1 | VG Köln, Urteil vom 08.03.2022 – 13 K 326/21, Rn. 845 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.05.2024 – 5 A 1218/22, Rn. 195 ff. — Der Bewertungsrahmen in diesen Entscheidungen ist derjenige des BVerfSchG, der dort genannte Katalog ist weiter als der Kern der freiheitlichen demokratischen Grundordnung aus Art. 21 GG; im konkreten Fall hat das OVG NRW aber zur Recht gesagt, dass sich die Wertungen vollumfänglich übertragen lassen (OVG NRW, Urt. v. 13.5.2024, 5 A 1216/22, Rn. 129). |
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↑2 | Post auf Facebook vom 7.11.2023. |
↑3 | https://x.com/GtzFrmming/status/1772629153692385497, abgerufen am 15.11.2024. |
↑4 | https://x.com/GtzFrmming/status/1148535368431611910, abgerufen am 15.11.2024. |
↑5 | https://de.openparliament.tv/media/DE-0200126068?q=remigration, abgerufen am 15.11.2024. |
↑6 | https://de.openparliament.tv/media/DE-0200089093?q=bevölkerungsaustausch&factionID%5B%5D=Q42575708&dateFrom=2021-11-15, abgerufen am 17.11.2024. |
↑7 | https://www.instagram.com/p/C7Of07rvUOZ/, abgerufen am 17.11.2024. |
↑8 | https://www.zeit.de/news/2017-08/28/wahlen-könig-oezoguz-in-anatolien-entsorgen-28114602, abgerufen am 17.11.2024. |
↑9 | https://www.merkur.de/politik/bayerischer-landtag-afd-fraktionschefin-empoert-mit-rede-extremistisch-zr-10847303.html, abgerufen am 15.11.2024. |
↑10 | Protokoll der Plenarsitzung des Bayerischen Landtags vom 13.12.2022, S. 18081. |
↑11 | https://x.com/FranzSchmid_AfD/status/1680140743208255489, abgerufen am 15.11.2024. |
↑12 | https://x.com/FranzSchmid_AfD/status/1729176709562352040, abgerufen am 15.11.2024. |
↑13 | https://www.kristin-brinker.de/blauer-bote-europa-ausgabe-2024/ (S. 6), abgerufen am 24.11.2024. |
↑14 | https://www.rnd.de/politik/wo-gelten-afd-und-junge-alternative-als-gesichert-rechtsextrem-und-was-bedeutet-das-BEOYLLR67FCABBNQ6ESSRUZJWM.html, abgerufen am 24.11.2024. |
↑15 | https://interaktiv.tagesspiegel.de/lab/von-messermaennern-und-ficki-ficki-bereicherern-so-trug-die-afd-den-hass-in-die-parlamente/, abgerufen am 24.11.2024. |
↑16 | https://x.com/AfD_Bremen/status/1833592958790283695, abgerufen am 15.11.2024. |
↑17 | https://x.com/AfD_Fraktion_HH/status/1778418516896395695, abgerufen am 15.11.2024. |
↑18 | https://x.com/Pierre_Lamely/status/1430515735663632393, abgerufen am 15.11.2024. |
↑19 | https://x.com/AfD_Hessen/status/1828795089084408028, abgerufen am 15.11.2024. |
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↑23 | https://www.facebook.com/profile/100064145851064/search/?q=remigration, abgerufen am 15.11.2024. |
↑24 | https://de.openparliament.tv/media/DE-0200143041?q=kinder&factionID%5B%5D=Q42575708&dateFrom=2023-11-30, abgerufen am 15.11.2024. |
↑25 | https://x.com/AfDSaar/status/1820813461149937818, abgerufen am 15.11.2024. |
↑26 | https://afd-fraktion-sachsen.de/neubuerger-entscheiden-die-naechste-wahl-werden-wir-deutschen-zur-minderheit/, abgerufen am 17.11.2024. |
↑27 | Landtagswahlprogramm 2022, S. 130. |
↑28 | AfD Thüringen, Meine Heimat mein Thüringen, Wahlprogramm der Alternative für Deutschland für die Landtagswahl 2019 in Thüringen, 18.08.2019, S. 12. |
↑29 | https://www.facebook.com/profile/100044142054255/search/?q=wir%20wollen%20keine%20multikulturelle%20gesellschaft&locale=de_DE, abgerufen am 15.11.2024. |
↑30 | https://extremismusmonitor-thueringen.de/volksverstaendnis/#belege, abgerufen am 24.11.2024. |
↑31, ↑32 | https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigration-vertreibung-afd-rechtsextreme-november-treffen/, abgerufen am 25.11.2024. |
↑33 | https://x.com/StefanKeuterAfD/status/1746212038655836391, abgerufen am 15.11.2024. |
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↑48 | https://www.instagram.com/p/C8SBl8RJUuC/, abgerufen am 17.11.2024. |
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↑50 | https://de.openparliament.tv/media/DE-0200137101?q=remigration, abgerufen am 17.11.2024. |
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↑77 | https://x.com/KrahMax/status/1407278676354416640, abgerufen am 20.11.2024. |
↑78 | https://x.com/FranzSchmid_AfD/status/1729095960611926127, abgerufen am 20.11.2024. |
↑79 | https://x.com/Pierre_Lamely/status/1425012539885248529, abgerufen am 20.11.2024. |
↑80 | https://x.com/Ansgar_Schledde/status/1852259848525619545, abgerufen am 20.11.2024. |
↑81 | https://x.com/IronymusPosh/status/1849379649387729156, abgerufen am 20.11.2024, Originaltweet wurde gelöscht. |
↑82 | https://x.com/EnxhiSeli/status/1755653805503291764, abgerufen am 20.11.2024. |
↑83 | https://www.rheinpfalz.de/lokal/pfalz-ticker_artikel,-lewentz-empört-über-afd-stellungnahme-das-ekeltmich-an-_arid,5295097.html, abgerufen am 20.11.2024. |
↑84 | https://www.facebook.com/frohnmaier/photos/pb.100044169832773.- 2207520000/1965846170332193/?type=3, abgerufen am 20.11.2024. |
↑85 | https://www.afd-bremen.de/programmatik/wahlprogramm-2023.html, S. 13, abgerufen am 20.11.2024. |
↑86 | https://www.youtube.com/watch?v=1n0CMXFuUAc, abgerufen am 17.11.2024. |
↑87 | https://www.facebook.com/photo/?fbid=939142950912553&set=a.806241754202674, abgerufen am 17.11.2024. |
↑88 | https://youtu.be/_74EsmRRLOc?t=92, abgerufen am 23.11.2024 (ab Minute 1:32). |
↑89 | https://youtu.be/ZeGoFCrtKSo?t=21, abgerufen am 23.11.2024 (ab Minute 0:22). |
↑90 | https://de.openparliament.tv/media/DE-0200041056?q=%22politisierung+der+justiz%22&factionID%5B%5D=Q42575708, abgerufen am 17.11.2024. |
↑91 | https://www.afd.de/stephan-brandner-migrantengewalt-nicht-verschweigen-sondern-bekaempfen/, abgerufen am 17.11.2024. |
↑92 | https://www.facebook.com/stBrandner/videos/3484255641892662/?locale=de_DE, abgerufen am 17.11.2024. |
↑93 | https://de.openparliament.tv/media/DE-0200102061?page=2&q=Austausch&factionID%5B%5D=Q42575708, abgerufen am 17.11.2024. |
↑94 | https://x.com/GtzFrmming/status/1781294499433476277, abgerufen am 17.11.2024. |
↑95 | https://www.swr.de/swraktuell/wahl/rp/bundestagswahl-2021/portraet-sebastian-muenzenmaier100.html, abgerufen am 17.11.2024. |
↑96 | https://de.openparliament.tv/media/DE-0190209011?q=sebastian+münzenmaier&factionID%5B%5D=Q42575708, abgerufen am 17.11.2024. |
↑97 | https://www.instagram.com/p/C7jCwfniEwX, abgerufen am 17.11.2024. |
↑98 | https://www.youtube.com/watch?v=qsyP1OtH0Vg, abgerufen am 17.11.2024 (ab Minute 33:50). |
↑99 | https://x.com/Martin_Hess_MdB/status/1856367730514960504, abgerufen am 17.11.2024. |
↑100 | https://x.com/Frohnmaier_AfD/status/1798765718345011684, abgerufen am 17.11.2024. |
↑101 | https://www.facebook.com/boehm2017/photos/-je-gr%C3%B6%C3%9Fer-die-hetze-je-absurder-diel%C3%BCgengeschichten-des-altparteien-medien-kar/966776062125201/, abgerufen am 17.11.2024. |
↑102 | https://youtu.be/GPd5cfU_9-I?t=182, abgerufen am 24.11.2024 (ab Minute 3:00). |
↑103 | https://x.com/Rekonstrukteur/status/1839307761668280427, abgerufen am 17.11.2024. |
↑104 | https://x.com/hallofraukaiser/status/1848753796437979517, abgerufen am 16.11.2024. |
↑105 | https://x.com/hallofraukaiser, abgerufen am 25.11.2024. |
↑106 | https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Landtag-MV-AfD-sorgt-fuer-Eklat-bei-Debatte-zum-9-November,kramer300.html, abgerufen am 17.11.2024. |
↑107 | https://www.facebook.com/profile/100045732840850/search/?q=kartell, abgerufen am 17.11.2024. |
↑108 | https://youtu.be/rUpNf3lOu-0, abgerufen am 17.11.2024 (ab Minute 08:47). |
↑109 | https://www.facebook.com/photo/?fbid=778873314057391&set=pb.100058041881675.- 2207520000&locale=de_DE, abgerufen am 17.11.2024. |
↑110 | https://x.com/P_Plattform/status/1423203901646512128, abgerufen am 17.11.2024. |
↑111 | https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/AfD-im-Kreis-Herzogtum-Lauenburg-Fraktion-imStreit-halbiert,afdlauenburg100.html, abgerufen am 17.11.2024. |
↑112 | https://extremismusmonitor-thueringen.de/staatsablehnung, abgerufen am 17.11.2024. |
↑113 | Zu alledem: Jaschinski, Jannik, Zillessen, Friedrich, Talg, Juliana; Brandau, Anna-Mira: Dämmert’s jetzt?: Eine Rekonstruktion der konstituierenden Sitzung des Thüringer Landtags, VerfBlog, 2024/9/27, https://healthyhabit.life/daemmert-es-jetzt/, DOI: 10.59704/7398c6c6d884caec, abgerufen am 25.11.2024; vgl. auch Thüringer VGH, Beschluss vom 27.09.2024, VerfGH 36/24, abrufbar: https://verfassungsgerichtshof.thueringen.de/media/tmmjv_verfassungsgerichtshof/Entscheidungen/24-00036_Beschluss_nicht_barrierefrei.pdf. |
↑114 | Thüringer VGH, Beschluss vom 27.09.2024, VerfGH 36/24, abrufbar: https://verfassungsgerichtshof.thueringen.de/media/tmmjv_verfassungsgerichtshof/Entscheidungen/24-00036_Beschluss_nicht_barrierefrei.pdf. |
↑115 | https://x.com/Rekonstrukteur/status/1839933358878400768, abgerufen am 23.11.2024. |
Wenn ich es richtig verstehe, geht es den Autorinnen und Autoren um mehr als darum, die antragsberechtigten Verfassungsorgane davon zu überzeugen, dass ein Verbotsantrag ein guter Umgang mit der AfD sowie erfolgversprechend ist. Vielmehr scheinen sie von einer entsprechenden verfassungsrechtlichen Verpflichtung auszugehen. Das legen die Formulierungen “dazu angehalten” und “nicht ins Belieben der Antragsberechtigten gestellt” nahe. Ist meine Lesart des Beitrags korrekt? Zugespitzt formuliert: Sehen die Autorinnen und Autoren die Bundestagsabgeordneten verfassungsrechtlich verpflichtet, dem Anliegen der 113 Abgeordneten zuzustimmen?
Der Beitrag leidet an einigen Schwächen.
Den Autoren misslingt die Abgrenzung zwischen konservativ-nationaler und völkischer Politik. Das Abstellen auf supranatione oder völkerrechtliche Bindungen hilft nicht weiter. Diese sind zwar selbstverständlich zu beachten und bilden eine Grenze konsverativ-nationaler Ausländer- und Migrationspolitik. Zur Grenziehung, zwischen verfassungskonformen (d. h. nicht verfassungswidrigen) und verfassungswidrigen Parteien sind sie aber nicht geeignet. Nicht jeder Vorschlag, der völker- oder unionsrechtswidrig ist, macht eine Partei zur verfassungsfeindlichen.
Der Umweg über das Rechtsstaatsprinzip (“Ein Rechtsstaat kann auf dessen Veränderung [die Veränderung inter- und supranationalen Rechts, Anm. d. Verf] hinwirken, im Extremfall auch seine Bindung daran lösen, aber er kann es nicht brechen. Dafür einzutreten, ist verfassungsfeindlich.) hilft da auch nicht weiter. Die Verfassungsentscheidung für offene Staatlichkeit, europäische Integration und internationale Zusammenarbeit ist nicht Teil der FDGO iSv Art. 21 GG. (davon gehen wohl auch die Verfasser aus).
Zur Interpretation von Aussagen der AfD und ihrer Anhänger: Für Meinungsäußerungen gilt, von mehreren möglichen Interpretationen diejenige heranzuziehen ist, die von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Das dies auch im Bereich des präventiven Verfassungsschutzes, zu dem das Parteiverbot gehört, gilt, hat das BVerwG im Compact-Beschluss (https://www.bverwg.de/de/140824B6VR1.24.0, Rn. 30, 31) dargelegt. Damit setzten sich die Verfasser überhaupt nicht auseinander. In dem sie auf das Zusammenspiel der Äußerungen abstellen, scheinen sie diese Problematik umgehen zu wollen.
Schließlich wenden Sie die “Kategorie der Delegitimierung des Staates” an. Diese Kategorie ist schon strukturell gefährlich nahe an zulässiger Kritik an politischen Inhalten und staatlichen Instutionen, zu denen auch das BVerfG gehört, an. Wo die Trennlinie zwischen Kritik an politischen Inhalten und Entscheidungen einerseits und Delegitimierung des Staates und demokratischer Institutionen verläuft, erhellt der Beitrag nicht. Die Abgrenzung ist umso dringender, da Machtkritik der historische Grund für die Existenz der Meinungsfreiheit ist und daher besonders geschützt ist (vgl. den Reichelt-Beschluss des BVerfG, https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2024/04/rk20240411_1bvr229023.html Rn. 29)
Sorry
I wanted to Write:
Continue your work ….
Volltreffer. Hier handelt es sich nicht um eine “rechtswissenschaftliche”, sondern um eine politische Stellungnahme der Autoren.
Das BVerwG hat in der in Bezug genommenen Entscheidung mitnichten dargelegt, dass bei mehrdeutigen Äußerungen die Interpretationsmaxime zugunsten derjenigen Variante, die noch von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt ist, „auch im Bereich des präventiven Verfassungsschutzes, zu dem das Parteiverbot gehört, gilt“. Vielmehr hat das BVerwG dies lediglich für ein gegen Presse- und Medienunternehmen ausgesprochenen Vereinsverbot festgestellt, weil anderenfalls der Schutz der Pressefreiheit durch ein Vereinigungsverbot unterlaufen werden könne. Warum diese (überzeugende) Argumentation ohne Weiteres auf Parteiverbote übertragbar sein sollte, erschließt sich mir nicht. Das Grundgesetz sieht bekanntlich ein Verbot von Presseorganen gerade nicht vor, sehr wohl aber ein Verbot von Parteien. Zudem hat das BVerfG in Bezug auf Parteiverbote bereits klargestellt, dass „auch die Inanspruchnahme grundrechtlich geschützter Freiheiten verbotsrelevant sein“ könne (BVerfGE 144, 20 ).
»Warum diese (überzeugende) Argumentation ohne Weiteres auf Parteiverbote übertragbar sein sollte, erschließt sich mir nicht.«
Andersrum wird ein Schuh draus: Warum sollte diese Argumentation nicht auf Parteiverbote übertragbar sein?
Das hat Herr Zicht doch gerade erklärt.
Thank you so much!
Continental your work for our Freedom!
„Was nicht sein kann, darf nicht sein“, hat sich mir beim Lesen des Beitrags als unausgesprochene Mission der Autoren aufgedrängt. Daß das Ringen um politische Ziele und die Macht auch simplifizierende, zuspitzende ja provozierende Wort mit sich bringt, blenden sie aus. Der Nachweis, daß die AfD die „Beseitigung jeder freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ (vgl. BVerfG, Urteil 17.08.1956, Az. 1 BvB 2/51) anstrebt, gelingt ihnen nicht. – sine ira et studio
Vielen Dank, für Ihr Engagement. Es ist ein wichtiges Zeichen, dass die Demokratie mit demokratischen Mitteln wehrhaft ist.
Der Text liegt vor mir wie ein sorgsam konstruiertes Gebäude, dessen Fundament bei näherer Betrachtung beunruhigende Risse offenbart. Die juristische Stellungnahme zum Parteiverbotsverfahren präsentiert sich zunächst als ein Meisterwerk der Argumentation – doch unter der polierten Oberfläche lauert eine erschreckende methodische Fragilität.
Die Argumentation gleicht einem Kartenhaus aus selektiver Wahrnehmung. Jede Karte, sorgfältig platziert, stützt sich auf die vorherige, doch der Wind kritischer Analyse lässt das Konstrukt erzittern.
Betrachten wir die zentrale These des “ethnisch-kulturellen Volksbegriffs”. Der Autor zitiert Götz Frömming: “Es gibt in vielen Regionen gar nicht mehr genügend bio-deutsche Kinder, in die man die anderen integrieren könnte.” Eine problematische Aussage, gewiss. Doch der Autor übersieht geflissentlich den Kontext der Integrationsdebatte, in der auch etablierte Parteien ähnliche Bedenken zur Integrationskapazität äußern. Die Transformation einer migrationspolitischen Position in einen Beweis für Verfassungsfeindlichkeit erfolgt durch interpretative Akrobatik.
Die methodische Schwäche offenbart sich besonders deutlich in der Behandlung der “Plausible Deniability”. Der Autor argumentiert: “Stellt man jedoch eine Vielzahl von Aussagen in einen Gesamtzusammenhang, setzt sich ihr ideologischer Kern wie ein Mosaik zusammen.” Ein faszinierender Zirkelschluss: Die Interpretation einzelner Aussagen wird durch einen “Gesamtzusammenhang” gestützt, der selbst aus interpretierten Aussagen besteht.
Besonders verstörend ist die selektive Quellenauswahl. Aus Jahren politischer Aktivität werden einzelne Aussagen herausgepickt, während mäßigende Stimmen, interne Debatten und Gegenpositionen im Schatten bleiben. Die Methodik erinnert an einen Fischer, der mit engmaschigem Netz nur nach bestimmten Fischen sucht und dann behauptet, der See enthalte ausschließlich diese Spezies.
Der Text verdichtet sich zu einem Paradoxon: Er warnt vor der Gefährdung der Demokratie, während er selbst demokratische Prinzipien strapaziert. Die Uminterpretation von Wahlerfolgen in Bedrohungsszenarien offenbart eine tiefe Skepsis gegenüber demokratischen Prozessen. Wenn 20% Wählerzustimmung als Gefährdungspotential gedeutet werden, was sagt dies über unser Demokratieverständnis?
Die juristische Argumentation verliert sich in einem Labyrinth der Vorannahmen. Nehmen wir die Aussage von Alice Weidel zur Aberkennung der Staatsbürgerschaft bei Straftätern. Der Autor deutet dies als Beleg für einen “ethnisch-kulturellen Volksbegriff”. Doch ähnliche Forderungen finden sich auch bei etablierten Parteien – dort werden sie als harte, aber legitime Rechtsstaatspositionen diskutiert.
Der Text krankt an einem fundamentalen Mangel an Selbstreflexion. Er kritisiert die “Delegitimierung demokratischer Prozesse”, während er selbst demokratische Willensbildung als potentielle Gefahr interpretiert. Er warnt vor “plausible deniability”, während er selbst mehrdeutige Aussagen stets im ungünstigsten Licht deutet.
Die Schwäche der Argumentation zeigt sich besonders in der Behandlung der Potentialität. Der Autor schreibt: “Das Erfordernis der Potentialität wird im Hinblick auf die AfD daher von keiner Seite ernsthaft bestritten.” Eine bemerkenswerte Aussage, die die Beweislast durch pure Behauptung zu negieren versucht.
Die methodischen Mängel kulminieren in der Zurechnung einzelner Äußerungen zur Gesamtpartei. Der Autor argumentiert: “Die AfD duldet vielmehr verfassungsfeindliche Positionen in der Partei, lässt sie gewähren und macht sie sich so zu eigen.” Eine juristische Konstruktion, die bei Anwendung auf andere Parteien absurd erschiene.
Was als rechtswissenschaftliche Analyse beginnt, entpuppt sich als Exempel konfirmatorischer Verzerrung. Der Text spiegelt weniger die Realität einer Partei als die Perspektive seines Autors. Er ist weniger Analyse als Architektur der Voreingenommenheit.
Die Ironie liegt in der unbeabsichtigten Selbstreferenzialität: Der Text demonstriert genau jene selektive Wahrnehmung und interpretative Verzerrung, die er seiner Zielgruppe vorwirft. Er wird damit unfreiwillig zum Lehrstück über die Notwendigkeit methodischer Strenge und intellektueller Redlichkeit in der juristischen Analyse.
In den Worten des Verfassungsgerichts ist ein Parteiverbot “Ausdruck des bewussten verfassungspolitischen Willens zur Lösung eines Grenzproblems der freiheitlich demokratischen Staatsordnung”. Dieser Text jedoch verwischt die Grenzen mehr, als dass er sie klärt. Er hinterlässt uns mit der beunruhigenden Frage: Wer schützt die Demokratie vor ihren allzu eifrigen Beschützern?
Sehr geehrter Klaus Fischer,
Sie schreiben “Eine problematische Aussage, gewiss. Doch der Autor übersieht geflissentlich den Kontext der Integrationsdebatte, in der auch etablierte Parteien ähnliche Bedenken zur Integrationskapazität äußern.”
Damit verweisen Sie auf einen wesentlichen Punkt, der jedoch – anders wie Sie meinen – nicht gegen ein AfD-Verbot spricht. Richtig ist, dass Verfassungswidrigkeit – gerade beim rassistisch-völkischen Menschenbild -auch außerhalb der AfD anzutreffen ist. Dies entlastet jedoch nicht die AfD.
Ich ziehe vielmehr daraus den Schluss, dass der Schwerpunkt auf die inhaltliche Komponente bei der Auseinandersetzung zu legen ist. So sollte die juristische Abwehr auf die Menschenwürde parteienübergreifend sein. Bezüglich der AfD verschärft dies allerdings das Verbotsinteresse. Denn anders wie bei manchen Politiker, der z.B. auf AfD-Stimmen hofft, indem er deren Argumente übernimmt, ist die Verfassungswidrigkeit bei der AfD umfassend. Letztlich geht es darum, eine nicht mehr zu übersehende Rechtsentwicklung zu stoppen.
Überbetonung der öffentlichen Wahrnehmung vs. rechtliche Standards
Problem: Die Argumentation stützt sich stark auf die öffentliche Wahrnehmung (z. B. erhöhte mediale Aufmerksamkeit, Aussagen zur Radikalisierung), um die AfD als verfassungsfeindlich einzustufen. Während die öffentliche Wahrnehmung relevant sein kann, stellt sie keine ausreichende rechtliche Grundlage dar.
Kritik: Das öffentliche Bild einer Partei, das durch Medien oder gesellschaftliche Interpretationen geprägt wird, sollte konkrete, gerichtlich überprüfbare Handlungen oder Absichten nicht überwiegen. Die Analyse läuft Gefahr, politische Rhetorik mit juristischen Maßstäben zu vermischen.
Unzureichende Belege für die „Potenzialität“
Problem: Das Konzept der „Potenzialität“ (die realistische Möglichkeit, verfassungsfeindliche Ziele erfolgreich zu erreichen) ist zentral, wird jedoch nicht klar belegt. Die Stellungnahme behauptet, die AfD habe drei von vier Stufen der Einstufung erreicht, liefert jedoch keine konkreten Beispiele für Handlungen oder Pläne, die eine signifikante Erfolgsaussicht belegen.
Kritik: Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) verlangt hohe Beweisanforderungen, insbesondere für die Nachweisführung der „Potenzialität“. Der Verweis auf ideologische Übereinstimmungen oder radikale Aussagen könnte die notwendige Beweiskraft verfehlen.
Unschärfe bei der Definition von „planvollem Handeln“
Problem: Der Begriff „planvolles Handeln“ wird unscharf verwendet, ohne spezifische Handlungen der AfD zu benennen, die als systematische, zielgerichtete Vorbereitung zur Untergrabung der Demokratie qualifizieren.
Kritik: Das BVerfG hat klargestellt, dass nachgewiesen werden muss, dass eine Partei konsistente und gezielte Handlungen unternimmt, die direkt auf die Abschaffung demokratischer Prinzipien abzielen. Teile der Analyse wirken spekulativ und zeigen keine direkte Verbindung zwischen Aktivitäten der AfD und konkreten Bedrohungen.
Gefahr der politischen Instrumentalisierung
Problem: Die Stellungnahme argumentiert stark, dass Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung eine quasi-mandatorische Pflicht hätten, ein Verbot einzuleiten. Diese Darstellung könnte als politisch motiviert statt juristisch neutral kritisiert werden.
Kritik: Das Grundgesetz schreibt keine absolute Pflicht zur Einleitung eines Parteiverbots vor, selbst wenn verfassungsfeindliche Tendenzen erkennbar sind. Eine Überbetonung dieser Pflicht könnte den Prozess politisieren und das öffentliche Vertrauen in verfassungsrechtliche Mechanismen untergraben.
Unzureichende Beachtung des „Ultima-Ratio“-Prinzips
Problem: Ein Parteiverbot muss das letzte Mittel sein, das nur dann eingesetzt wird, wenn andere demokratische Instrumente (z. B. öffentlicher Diskurs, Wahlen) unwirksam sind. Die Analyse zeigt nicht ausreichend auf, warum ein Verbot der AfD die einzige tragfähige Lösung ist.
Kritik: Ohne den Nachweis, dass weniger einschneidende Maßnahmen nicht ausreichen, könnte die Stellungnahme dafür kritisiert werden, vorschnell eine extreme Maßnahme zu befürworten.
Verallgemeinerung von Partei- und Mitgliederverhalten
Problem: Die Stellungnahme vermischt gelegentlich individuelle Handlungen oder Aussagen von Parteimitgliedern mit den Gesamtzielen der AfD als Partei.
Kritik: Artikel 21 GG erfordert den Nachweis, dass die gesamte Partei, und nicht nur Einzelpersonen oder Fraktionen, systematisch verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Eine Überverallgemeinerung könnte die Argumentation rechtlich schwächen.
Möglicher Konflikt mit demokratischen Prinzipien
Problem: Ein Verbot einer Partei, insbesondere einer mit erheblicher Wählerunterstützung, wirft Fragen über das Gleichgewicht zwischen dem Schutz der Demokratie und der Achtung politischer Pluralität auf.
Kritik: Die Analyse setzt sich nicht ausreichend mit dem Paradoxon auseinander, dass das Verbot einer populären Partei selbst als Einschränkung demokratischer Rechte wahrgenommen werden könnte, was die Radikalisierung eher verstärken als mindern könnte.
Unklare Schwelle zwischen „Beseitigung“ und „Beeinträchtigung“
Problem: Die Unterscheidung zwischen „Beseitigung“ (Abschaffung) und „Beeinträchtigung“ (Beeinflussung) der demokratischen Ordnung bleibt unscharf. Die Stellungnahme konzentriert sich auf die Beeinträchtigung, ohne ausreichend darzulegen, ob die AfD ein glaubwürdiges Risiko für eine Abschaffung darstellt.
Kritik: Der NPD-II-Fall betonte die Notwendigkeit klarer, handlungsorientierter Bedrohungen. Primär aus der Perspektive der Beeinträchtigung zu argumentieren, könnte den Fall für ein Verbot schwächen.
Empfehlungen zur Stärkung der Argumentation
Konkrete Beweise liefern: Detaillierte Beispiele für Handlungen, Dokumente oder Aussagen darlegen, die systematische, geplante Angriffe auf die Demokratie zeigen.
„Ultima Ratio“-Prinzip berücksichtigen: Erklären, warum ein Verbot der AfD notwendig ist und warum alternative Maßnahmen unzureichend sind.
Potenzialität klären: Aufzeigen, wie die Handlungen der Partei eine realistische Gefahr darstellen, verfassungsfeindliche Ziele zu erreichen.
Verallgemeinerungen vermeiden: Den Fokus auf parteiinterne Richtlinien und offizielle Handlungen legen, statt auf isolierte Vorfälle von Mitgliedern.
Demokratische Abwägungen einbeziehen: Die Spannung zwischen Parteiverbot und Pluralismus anerkennen und darlegen, warum letzterer hier nicht tragfähig ist.
Schlussfolgerung
Die Stellungnahme bietet eine umfassende Übersicht des verfassungsrechtlichen Rahmens und des Konzepts der „wehrhaften Demokratie“, könnte jedoch als zu politisch motiviert und rechtlich unzureichend fundiert wahrgenommen werden. Eine Stärkung der Beweiskraft und die Berücksichtigung der aufgeführten Schwachstellen würden die Argumentation für ein Parteiverbot verbessern.
Exakte Tatbestand-Subsumtion und richtige umfassende Rechtsfolgen einer Verbotsentscheidung. Danke dafür ! Je früher der Antrag gestellt würde, desto weniger Schaden für unsere demokratische GG-Ordnung.
Einige der Kommentare geben dann doch Anlass, den Blick nochmals auf ein paar grundlegende (Rechts-) Tatsachen zu richten:
1. Die Realisierung des Konzepts der „wehrhaften Demokratie“ (militant democracy) ist keine Frage der politischen Opportunität und damit nicht in das Belieben der antragsberechtigten Staatsorgane gestellt.
2. Es liegen nicht zuletzt nach Maßgabe aller vorliegenden Gerichtsentscheidungen zur “Verdachtsfall”-Problematik zahlreiche Anhaltspunkte für eine Verfassungsfeindlichkeit der AfD vor, so dass entsprechender Handlungsbedarf besteht.
3. Irgendein Zusammenhang mit Grundrechten (jenseits der umstrittenen Einordnung der „Parteienfreiheit“) besteht nicht. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass verfassungsfeindliche Äußerungen einen Teil des öffentlichen Diskurses bilden können und deshalb bis zur Grenze des (verfassungsgemäßen) Strafrechts zulässig sind. Ob der Staat zulassen muss, dass Verfassungsfeinde die Grundlagen einer pluralistischen Demokratie zerstören, ist eine völlig andere Frage.
Wären die Unionsparteien vielleicht gegen ein Verbot der AfD, wenn durch ein Verbot der AfD eine klare Kanzlermehrheit für die Unionsparteien in Zweifel geraten könnte?
Diese Stellungnahme ist für den Nichtjuristen insofern irritierend, da sie quasi nach dem Motto “Im Zweifel gegen den Angeklagten” vorgeht. Insbesondere folgende drei Punkte werfen Fragen auf:
1. Die Stellungsnahme konstruiert eine Stufentheorie, die quasi zwangsläufig zu einem Verbot führen muss. Weder das Grundgesetz noch bisherige Parteiverbote kennen diese Zwangsläufigkeit, oder liege ich da falsch?
2. Soll aus der selektiven Sammlung von Einzelaussagen (die mehrheitlich durch die Meinungsfreiheit gedeckt sind) eine Gesamttendenz der Partei geschlussfolgert werden? In den Sozialwissenschaften nennt man so etwas “selection bias”. Daten werden gezielt so ausgewählt, damit die Hypothese bestätigt wird. Für eine explorative Studie mag das okay sein, harte Evidenz (als Legitimationsquelle politischen Handelns) wird so aber nicht produziert.
3. Historische und vergleichende Aspekte werden ausgeblendet. Der AfD ähnliche Parteien haben in anderen europäischen Ländern ähnliche oder noch größere Wahlerfolge. Verbotsdebatten werden andernorts allerdings höchstens am Rande geführt, auch wenn die jeweilige Verfassung ein Parteiverbot hergeben würde. In historischer Perspektive fehlt der Bezug auf das Konsolidierungsniveau der Demokratie. In der jungen Bundesrepublik war dieses natürlich wesentlich niedriger, wenn überhaupt vorhanden, woraus eine relativ niedrige Hürde für ein Parteiverbot resultierte. In einer konsolidierten Demokratie sollte diese Hürde doch viel höher sein, denn letzlich bedeutet ein Parteiverbot nichts anderes als die Einschränkung des demokratischen Kernregimes der freien Wahl. In einer Demokratie haben die Bürger nun einmal das Recht, auch vermeintlich unvernünftige Entscheidungen zu treffen. Wer dies bestreitet und mit repressiven Mitteln generell ausschließen möchte, begibt sich seinerseits auf gefährliches Terrain.
Gerade der letztgenannte Gesichtspunkt wird nonchalant mit dem Begriff der “Präventivmaßnahme” umgangen. Was bedenklich ist, weil dies die blinden Flecken im Demokratieverständnis (dem es offenbar weniger um die Ausübung der Volkssouveränität, sondern um den “Schutz” von individuellen Rechten und die Immunisierung des Staatsapparates gegen unbotmäßige Kritik geht) der Autorinnen und Autoren ausleuchtet.